Neue Mitbewohner finden Auf WG-Suche in der Kneipe

Berlin (RP). Den richtigen Mitbewohner zu finden, ist mitunter verteufelt schwer. Um das Problem zu lösen, haben sich Veranstalter aus Berlin etwas Neues einfallen lassen: Die WG-Suche im Stil einer Single-Party.

Wenn es um üble Mitbewohner geht, hat Sylvia schon so ziemlich alles erlebt: Muttersöhnchen, Putzmuffel und Chaoten, die bei Nacht und Nebel mit der halben Einrichtung verschwinden. Das kurze Vorstellungsgespräch in ihrer WG-Küche konnte die 28-jährige Berlinerin vor solchen Reinfällen nicht bewahren.

Dieses Mal soll alles anders werden. Denn dieses Mal nimmt Sylvia die möglichen Mieter ihres leeren WG-Zimmers genauer unter die Lupe - auf einer Party. Einer WG-Party. Der organisierte Kneipenabend, bei dem sich WG-Suchende und -Bietende bei Musik, Bier oder Cocktail beschnuppern können, ist in München, Köln, Hamburg und Berlin ein Geheimtipp unter Studenten.

Wie auf einer Single-Party

"Das Konzept gleicht dem einer Single-Party", erklärt Malte Seidel, der die WG-Partys in Berlin mitorganisiert und auch die Gäste in Empfang nimmt. Sein Mitstreiter Fabian Saul hat die ungewöhnliche Idee aus Paris mitgebracht. Für drei Euro gibt es einmal im Monat 40 bis 50 potentielle Mitbewohner auf einen Schlag. Dazu jede Menge Zeit für den ersten persönlichen Kontakt.

Wie bei einer Single-Party erhalten die Teilnehmer durchnummerierte Aufkleber. "Der Aufkleber kommt aufs T-Shirt", erklärt Malte Seidel den Neuankömmlingen an der Tür der Berliner Kneipe. "Ihr müsst nur ankreuzen, ob ihr ein Zimmer sucht oder bietet."

Der Zettel, den Seidel ebenfalls an jeden Gast verteilt, trägt dieselbe Nummer wie der Aufkleber. Ausgefüllt und an eine Pinnwand geheftet verrät der Zettel detaillierter, was das Traum-Zimmer oder der Wunschmitbewohner bieten soll. Ein kurzer Blick auf die Pinnwand reicht. Schon kann jeder sondieren, hinter welchen Nummern sich geeignete Mitbewohner verbergen - und im schummrigen Licht der Kneipe auf die Suche nach den Auserwählten gehen.

In zwei Wochen was Neues

Der Berliner Informatikstudent David mustert die Pinnwand fachmännisch. Ihm geht es heute Abend in erster Linie um Zeitersparnis. Schon in zwei Wochen muss der 20-Jährige aus seiner Wohnung ausziehen - und das mitten im Klausurstress.

Muße für eine Wohnungssuche im Marathonstil wie noch vor einem Semester hat David nicht. "Eine Woche lang habe ich mir jeden Tag drei Zimmer angeschaut. In einer Wohngemeinschaft war ich sage und schreibe der 54. Bewerber", erinnert er sich mit gequältem Gesichtsausdruck.

Doch David hat Pech: Die Suchenden sind heute deutlich in der Mehrzahl - und wetteifern um die wenigen Zimmer mit überzeugenden Argumenten. "Habe ein festes Einkommen", versichert einer auf seiner Kurzbeschreibung an der Pinnwand. "Bin umgänglich, lieb, kommunikativ, WG-erprobt und putztauglich", schreibt eine andere.

Nummer 31 bietet Zimmer an

Aber da! Der Zettel eines Bieters! Nummer 31 preist ein kleines Zimmer im Berliner Stadtteil Wedding an. Hört sich gut an. Und der Preis stimmt auch. Verstohlen hält David nach dem Gast mit der Nummer 31 Ausschau. Gefunden: Er ist etwa 35 Jahre alt, trägt ein blaues Hemd zum grauen Anzug. David wendet sich erschrocken ab. Nein, das ist nicht das Richtige für den langhaarigen Informatiker im Schlabberpulli.

Für Sylvia verläuft der Abend erfolgreicher. Das leere Zimmer in ihrer 78 Quadratmeter großen Altbauwohnung ist gefragt - und die ein oder andere Interessentin durchaus sympathisch. Mit Anna und Sarah hat sie sich zum Quatschen an einen Tisch zurückgezogen. Besonders die 28-jährige Sarah kann sich gute Chancen ausrechnen. Sie ist so alt wie Sylvia und hat genau wie sie gerade ihr Studium abgeschlossen. Das passt doch ganz gut.

Und wenn am nächsten Tag doch niemand den Mietvertrag unterschreibt? Auch egal, findet Sylvia. Dann hat sie wenigstens neue Leute kennen gelernt.

Und einen ungewöhnlichen Abend erlebt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort