Das Studium alleine reicht nicht mehr Architekten: Nischensucher auf dem Arbeitsmarkt

Düsseldorf (RP). In der Architektur mangelt es an Stellen. Deshalb belegen Absolventen Aufbaustudiengänge, oft viele nacheinander. Am Ende bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich eine Nische auf dem Arbeitsmarkt zu suchen. Wer sich heutzutage als Architekt selbstständig macht, kann sich nicht kreativ austoben. Der baut nur noch Häuser um Möbel seiner Klientel drumherum ­- das ist die Realität.

Diese Sätze könnte ein Altmeister der Architektur gesprochen haben, der den Zeiten, in denen ein Architekturstudium noch gleichzusetzen war mit unbezähmbarer gestalterischer Energie, nachtrauert. Diese Sätze hat eine junge Frau am Anfang ihres Berufslebens gesagt: Daniela Kugel, 28, Architektendiplom I in der Tasche, kurz vor Ende des Aufbaustudiengangs zum "Master of Science in Architecture”, Schwerpunkt Ressourcenoptimiertes Bauen.

Aufbaustudiengänge für Architekten sprießen wie Krokusse im Frühling. Master of Engineering, Internationales Projektmanagement im Bauwesen, Dipl.-Wirtschaftsingenieur Schwerpunkt Unternehmensführung, Immobilienökonom, Master of Arts Building Conservation, Master of Architecture in Urban Design. Ein erfolgsverwöhnter John Gehry, Designer der schrägen Gebäude im Düsseldorfer Medienhafen, lächelt vermutlich darüber.

Einfach nur Häuslebauen nicht in Sicht

Daniela Kugel lächelt nicht. Sie malt auch nicht schwarz. Sie hat einen nüchternen Blick auf den Ist-Zustand, der nichts mit der Illusion vom Leben als Häuslebauer zu tun hat. "Häuschen zeichnen wollte ich nach dem Abi, wollte mein Lieblingsfach Mathe mit meiner Leidenschaft fürs Zeichnen verbinden. Dann habe ich eine Lehre als Bauzeichner in einem Statikbüro gemacht. Mit Häuschenzeichnen war da nix.”

Und an Architektur-Wettbewerben teilnehmen? Daniela wiegelt ab. "Mit Entwürfen kann man heute nicht viel verdienen.” Die junge Architektin hat sich der Nischensuche in neuen Arbeitsfeldern angepasst; sie will im Bereich Energiemanagement arbeiten.

Weit weg von der Architektur ist das nicht. Nah dran auch nicht. Die Generation Praktikum ist in der Architektur zur Generation Grenzgänger geworden. Der Online-Dienst Bau-Netz stellt monatlich Architekten und Bauingenieure vor, die wegen mangelnder Stellen Grenzen überschritten: Fotografie, Webdesign.

Allein in NRW gibt es 26.000 Architekten, 2000 Innen-, 1000 Landschaftsarchitekten und ebenso viele Stadtplaner. "Der Markt ist mehr als eng”, sagt Christoph Rose von der Architektenkammer des Landes. Wer den geschützten Titel "Architekt” tragen will, muss Kammer-Mitglied sein. Mitglied wird, wer nach dem Diplom zwei Jahre Berufserfahrung sammelt.

Mit Zusatzausbildung Marktchance erhöhen

Die 28-jährige Remscheiderin verzichtet darauf. Sie hat das Angebot der Wuppertaler Uni wahrgenommen: in zwei Semestern zum Master für Ressourcenoptimiertem Bauen ­ "Null-Energie-Häuser”, Solar-, Windenergie- und Photovoltaikanlagen. Ein Knochenstudium. "Am ersten Tag schrieb der Professor an die Tafel ,Tag eins von 365‘, da haben wir gelacht. Es ist absoluter Ernst geworden.” Noch etwas hat der Professor gesagt: Die Grundausbildung als Architekt sei gut, ein technischer Zusatz besser ­wegen der Marktchancen.

Die Ansicht teilt Olaf Bahner, Pressesprecher des Deutschen Architektenbundes: "Bis 2006 fand jeder zweite Absolvent keinen Job.” Zwei Trends charakterisierten die Branche mit mauer Auftragslage, weil die Baukonjunktur seit zehn Jahren ein Null- oder Negativwachstum verzeichnet: Die Zahl der Freiberufler ist gestiegen. Anfang 2000 gab es 46.600, sechs Jahre später 47.628. Zum anderen sind die Dauerpraktika nach der Uni charakteristisch.

Trotz schlechter Perspektiven will Olaf Bahner die Architektur niemandem ausreden. "Ein faszinierendes Studium. Nur sollte man wissen, dass bei der hiesigen Abgängerrate, der höchsten in Europa, der Markt noch enger wird.” Bereitschaft für die Nischensuche sei wichtig. Christoph Rose: "Die energetische Verbesserung von Gebäuden etwa ist eine Zukunftsaufgabe für die Leute gebraucht werden mit Managementfähigkeit, Kommunikationsstärke, Teamgeist.”

Über Aufnahmeprüfungen nachdenken

Bundesweit gibt es 6000 Studienplätze. "Die Zahl der Bewerber deckt sich seit kurzem mit den Studienplätzen”, sagt Rose. Der Architektenbund befürwortet eine Aufnahmeprüfung, so wie Daniela Kugel sie absolviert hat. "Die Unis müssen mehr Verantwortung übernehmen. Wenn man erst nach sechs Semestern merkt, dass das Studium nichts ist, ist es für einen Fachwechsel zu spät.”

2003 sank die Zahl der Absolventen erstmals unter die 6000er Marke, landete 2005 bei 5640. "Immer noch viel”, sagt Bahner, zumal Nischen wie das Webdesign "ausgelatscht” sind. Ob Ressoucenoptimiertes Bauen eine gute Nische ist, wird Daniela Kugel wissen, wenn sie den Master in der Tasche hat.

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