Düsseldorf Ausgerechnet das Fasten ist in Mode gekommen

Düsseldorf · Wie sehr das Fasten zur modischen Erscheinung unserer Zeit geworden ist, lässt sich unschwer daran ablesen, dass es "das" Fasten nicht mehr gibt. Wer die kommenden 40 Tage etwa auf Alkohol oder Fleisch verzichten will, gehört bereits zu den Traditionalisten. Der Fastende des 21. Jahrhunderts lässt das Auto stehen, schreibt keine SMS mehr oder meidet soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter.

Es gibt inzwischen viele Formen des Verzichts, die sich die Urheber unseres Fastens – die christlichen Kirchen – noch vor einigen Jahren kaum träumen ließen. So verwundert es nicht, dass nicht nur Protestanten und Katholiken vom Sinn und Nutzen des Verzichts reden und predigen, sondern mittlerweile auch die deutsche Ärztegesellschaft. Und dazu hat die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) auch gleich eine passende Studie initiiert, nach der 60 Prozent der befragten Bundesbürger das Fasten für sinnvoll halten. Eine solch breite Zustimmung wird vielen christlichen Botschaften – und dazu gehört auch das Fasten – heutzutage kaum noch gewährt. Gerade deshalb scheint es für die Kirchen förderlich zu sein, über das Fasten Menschen zu erreichen. Besonders erfolgreich ist dabei die evangelische Kirche, die mit ihrer bundesweiten Aktion "7 Wochen Ohne" zwei Millionen Menschen Jahr für Jahr anspricht – und das seit 1983. Weniger geglückt aber ist das diesjährige Motto: "Ich war's!" heißt es; damit sollen die Teilnehmer dazu ermuntert werden, sieben Wochen ohne Ausreden zu leben.

Damit aber ist der Kontext des Fastens vollständig ausgeblendet. Die sieben Wochen sind ja eine Zeit, die aus der biblischen Geschichte stammt und in die jeder Fastende auch eingebettet ist: Sein 40-tägiger Verzicht korrespondiert mit den 40 Tagen, die es zur Sintflut regnete, mit den 40 Jahren, die die Israeliten durch die Wüste zogen, und auch jenen 40 Tagen, die Mose fastete.

Unverständlich bleibt dieses Fasten aber auch ohne den Blick auf das anschließende österliche Geschehen: Im Fasten bereiten wir uns auf das Heilsgeschehen vor, das sich über den Kreuzestod Jesu zum Triumph der Auferstehung wandelt. Fasten, Tod und Auferstehung sind jene drei Stationen christlichen Glaubens, die aufeinander bezogen und die jeweils ohne das andere nicht zu verstehen sind.

Das Fasten muss daher einen klaren Abschluss im Karsamstag finden; wir müssen und dürfen den nicht immer leichten Weg des Verzichts im Triumph des Osterfestes wie zur Befreiung endgültig hinter uns lassen. Was aber heißt das dann für die Fastenaktion von "7 Wochen Ohne"? Dürfen wir also ausgerechnet zum Osterfest wieder mit unseren Ausreden beginnen, mit dem unwahren und in diesem Sinne verantwortungslosen Leben?

Ein Fasten ohne den biblischen Gesamtzusammenhang wird seine Botschaft verlieren und überdies verstärkt in Gefahr geraten, nur noch modisch zu werden. Das Christsein aber ist notorisch zeitlos. Auch darum fasten Christen stets mit Leib und Seele.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort