Düsseldorf Auf der Suche nach der leisen Autobahn

Düsseldorf · Flüsterasphalt ist gut, aber nicht für alle Straßenbenutzer. Für schwere Lkw ist er nicht geeignet. Und er verursacht hohe Kosten.

Beim ersten Blick auf die Straße lässt sich kein Unterschied wahrnehmen. Der Asphalt ist schwarz wie jeder andere. Doch die Qualität eines Straßenbelags sollte nicht mit den Augen bewertet werden. Die Ohren sind dafür viel besser geeignet. "Vor allem in den Ballungsräumen ist die Lärmsituation inzwischen auf ein Niveau angestiegen, das die Gesundheit und Lebensqualität der Anwohner erheblich beeinträchtigt", sagt Martin Radenberg, Professor für Verkehrswegebau an der Ruhr-Universität Bochum.

Schuld daran trägt vor allem der Verkehrslärm: Immer mehr Autos sind auf den städtischen Straßen unterwegs, Pendler und Lkw verstopfen die Autobahnen. Wenn die Menschen nicht auf Fahrräder oder zum öffentlichen Nahverkehr wechseln können oder vielleicht auch nicht wollen, dann werden die Straßen sich verändern müssen.

Der Verkehr der Zukunft soll leiser werden. Doch das ist nicht einfach. Denn der Verkehrslärm ist kein einheitliches Geräusch, er ist so unterschiedlich wie die Nutzung der Straßen: Lkw auf Autobahnen sorgen für eine andere Geräuschkulisse als wartende Pkw vor einer roten Ampel — doch beides stört. Forscher wie Martin Radenberg und die Bundesanstalt für Straßenwesen haben mit Messinstrumenten genau hingehört und den Lärm gefiltert. Ihre Ergebnisse: Erst ab einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern sind die Abrollgeräusche der Reifen auf einer gewöhnlichen Straße lauter als die Motoren der Fahrzeuge. Grundsätzlich sind schnell fahrende Autos lauter als langsame. Bei höheren Geschwindigkeiten spielt dann noch die Struktur des Asphalts eine besondere Rolle. Wenn dessen Oberfläche nicht ganz glatt ist, sondern feine, kleine Schluchten aufweist, schlucken diese einen Teil des Schalls. Aber wenn die Autos langsamer fahren, sorgen genau diese Schluchten für zusätzlich Schwingungen — und damit für mehr Lärm. Und — man ahnt es bereits, angesichts der komplizierten Gemengelage — Lkw-Reifen unterscheiden sich in ihren Abrollgeräuschen deutlich von den Pneus der Pkw.

Entscheidend für die Lärmentwicklung scheint die Auswahl der Komponenten für den Brei zu sein, der die oberste Asphaltschicht bildet. Flache Gesteine sorgen für mehr Lärm als runde. Lkw-Reifen sind auf größeren Partikeln etwas leiser, Pkws verursachen dagegen auf kleiner geformten Körnern weniger Lärm. Die Entwicklung von Flüsterasphalt ist deshalb die Wahl der richtigen Rezeptur.

Die Asphaltkocher von Martin Radenberg haben einen LOA 5D entwickelt: ein Belag, der die Anwohner von typischen Ausfallstraßen mit einer hohen Verkehrsdichte, überwiegend Autos mit 50 km/h, schützen soll. "Bei allen Strecken, wo der Belag getestet wurde, haben wir ein deutlich spürbares Lärmminderungspotential festgestellt", berichtet Radenberg. In Düsseldorf auf der Mecumstraße sank die Lärmbelästigung durch den neuen Belag um etwa sechs Dezibel. Was wenig klingt, bedeutet für die Ohren eine enorme Entlastung: nämlich nur noch die Hälfte an Straßenlärm.

Vier Jahre lang haben die Bochumer immer wieder die Lärmsensoren an der Mecumstraße aufgebaut. Der Belag hat kaum an seiner Qualität eingebüßt und scheint eine hohe Haltbarkeit zu besitzen. Das ist bemerkenswert: Meistens bringt ein neuer Straßenbelag nur zwei Dezibel Lärmminderung. Und häufig haben die größeren Poren im Asphalt, die den Straßenbelag leiser machen, unangenehme Nebenwirkungen. Zum einen verschleißen sie rasch bei einer hohen Verkehrsdichte, und der Belag muss nach wenigen Jahren ausgetauscht werden.

Flüsterasphalt und schwere Lkw vertragen sich nicht gut, auf einer dreispurigen Autobahn besteht der Belag der rechten Spur deshalb meistens aus Beton. Zum anderen verschmutzen sie schnell und verlieren dann ihre lärmdämmende Wirkung. Auf mancher Autobahn fahren deshalb jetzt sogar Kehrmaschinen über die Teststrecken für den leisen Asphalt, die das anfällige Oberflächenprofil mit Hochdruckstrahlern reinigen. Und an der A 3 in Köln gab es binnen eines halben Jahres 17 Unfälle mehr als üblich, weil der lärmdämmende Straßenbelag bei starkem Regen Aquaplaning unterstützte.

Die Straßenbauer reagieren deshalb konservativ und scheuen wegen möglicher Folgekosten häufig das Risiko des Flüsterasphalts, dessen Aufbringung etwa zehn bis 15 Prozent teurer ist als übliche Fahrbahnbeläge. Meistens müssen die Anlieger noch aus einem anderen Grund lange auf eine Verbesserung ihrer Situation warten.

Es fehlt das Geld: So lange eine Fahrbahndecke noch nicht saniert werden muss, bekommt sie erst Recht keinen Flüsterasphalt. Die Alternativen für eine leisere Umgebung heißen Lärmschutzwände oder Geschwindigkeitsbeschränkungen — am leisesten sind Autos, die gar nicht fahren.

(RP)
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