Knechtsteden Alte Musik im Kloster

Knechtsteden · Kloster Knechtsteden ist Spielort eines der wichtigsten Festivals alter Musik. In diesem Jahr gibt es die Schwerpunkte China und Martin Luther.

Unser Musikleben ist bei genauer Betrachtung eine Summe von Einzelinteressen. Sie treffen sich meist im Sammelbecken, aber können sich zuweilen auch separieren. Es gibt ausgewiesene Festivals für neue Musik, für Kammermusik, für Liedgesang - und es gibt Festivals für alte Musik. Dort treffen sich die Freunde von Musik auf Darmsaiten, ventillosen Trompeten, deftigen Pauken, von Chören mit jungen Sängern, deren Vibrato nicht die Amplitude einer Terz erreicht, von frisch ausgegrabenen Partituren. Der Frack ist dort eher ein unbekanntes Kleidungsstück, wird aber bei festlichen Anlässen zuweilen angelegt.

Eines der weltweit schönsten und wichtigsten Festivals für alte Musik befindet sich in Steinwurfweite: im Kloster Knechtsteden bei Dormagen am Niederrhein. Unter der künstlerischen Leitung von Hermann Max, dem großartigen Chorleiter, haben dort die Rheinische Kantorei und das Ensemble "Das kleine Konzert" seit Jahrzehnten ihren Stammsitz; diese Formationen sind den Hörern im Sendegebiet des WDR sozusagen imprägniert durch die sonntägliche Darbietung einer Bach-Kantate und durch andere Mitschnitte. Doch auch interessante Gäste werden eingeladen, stets unter spannenden und geistreich erfundenen Themenbereichen und Themenkomplexen.

Gelegentlich macht der Enthusiast Max künstlerische Entdeckungen in der weiten Ferne, die ihn dermaßen begeistern, dass er die Musiker nach Knechtsteden bittet. So nachhaltig war etwa der Eindruck einer Zusammenarbeit mit chinesischen Sängern, dass Max dem Thema China einen Schwerpunkt im diesjährigen Programm widmet. Es ist der 26. Jahrgang des Festivals, das Max seit Anfang leitet, mit nimmermüdem Heißhunger. Es findet vom 15. bis 23. September statt.

Das Programm setzt sich aus allen Facetten musikalischer Begegnungen zweier Kulturen zusammen: Den festlichen Auftakt machen der Chor des Zentralkonservatoriums Peking in der romanischen Klosterbasilika in Kooperation mit dem Deutschen Jugendkammerchor mit Werken von Mendelssohn und Brahms und der Uraufführung des Auftragswerkes "Roots of Culture" der chinesischen Komponistin Zhou Juan. Kammersängerin Ragna Schirmer und Romelia Lichtenstein wandeln sodann zu zweit "Auf den Spuren Marco Polos" in Werken der Romantik. Das Cassiopeia Figurentheater inszeniert weiterhin das Andersen-Märchen "Der Kaiser und die Nachtigall" mit Musiken, die der Mönch Teodrocó Pedrini zur Barockzeit am chinesischen Kaiserhof komponierte; und Glucks Oper "Le Cinesi" mit dem Ensemble La Festa Musicale begegnet dem Duo SeidenStraße - der Guzheng-Spielerin Chanyuan Zhao und dem Percussionisten Benjamin Leuschner.

Ein zweiter Schwerpunkt ist dem Thema Martin Luther gewidmet. Mit besonderer Neugier dürfen die Musikfreunde den Auftritt des Collegiums 1704 aus Prag erwarten, eines der weltweit besten Alte-Musik-Ensembles. Seine von Chefdirigent Václav Luks geleitete Aufnahme der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach gilt längst als Referenzeinspielung dieses bedeutenden Werks. In Knechtsteden sind die tschechischen Musiker mit Messen von Bach und dem grandiosen böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka vertreten. Den 20. September sollten sich die Fans hochwertiger Chormusik merken.

Eine weitere Spezialität im Luther-Komplex ist fraglos der Abend des Countertenors Franz Vitzthum, der seine CD "Luthers Laute" in der sogenannten "Luthernacht" des Festivals am 22. September vorstellt. Die Schauspielerin Gala Winter wird mit zeitgenössischer Pantomime zu Motetten von Schütz und Schein im Abschlusskonzert am 23. September zu erleben sein. Ebenfalls um Luther dreht sich ein Kolloquium der "Initiative Bildung", das einen zeitumspanndenden Titel gewählt hat: "Bildung als Wert von Konfuzius über Platon zu Luther".

(w.g.)
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