Alfred Wegener entdeckte die Kontinentalverschiebung

Alfred Wegener liebte Christian Morgensterns Gedichte. Deshalb versuchte er sich auch als Dichter. Etwa so:

Ich lobe mir die kurze Pfeife!

Damit der Geist nicht ziellos

schweife,

Und die Probleme fest ergreife,

So dass die Arbeit richtig reife, ...

Ein hübscher Versuch war das, aber nichts, was ihm 100 Jahre später noch Ruhm einträgt. Mehr Erfolg hatte er mit seinem Vortrag, den er am Dreikönigstag 1912 in der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt/Main hielt. Mit seiner Theorie von der Kontinentaldrift revolutionierte der 31-jährige Meteorologe das Bild der Erde und sorgte dafür, dass sein Name Generationen von Erdkundeschülern zum Begriff wurde (oder besser: werden sollte).

Der Kern seiner These lautete: Die Verteilung der Kontinente und Ozeane ändert sich stetig, weil die Erdteile wandern. Wegener hatte angenommen, dass die Erdoberfläche, wie wir sie heute kennen, aus einem Urkontinent hervorgegangen sei. Dessen Schollen seien im Laufe der Jahrmilliarden auseinandergedriftet. Mit der Idee der treibenden Kontinente konnte der fachfremde Wissenschaftler damals viele Befunde der Geologen, Paläontologen und der Tier- und Pflanzengeographen erklären. Nicht nur ihm war aufgefallen, dass die Nordost-Ecke Südamerikas wie ein Puzzlestück in die Westseite des afrikanischen Kontinents passt.

Die in Frankfurt versammelten Geowissenschaftler lehnten die Thesen des Marburgers ab. Denn Wegener fehlten Beweise. Es dauerte Jahrzehnte, bis er als "Kopernikus der Geowissenschaften" oder "Newton der Verschiebungstheorie" Anerkennung fand. Wegeners Kollegen brauchten bis Anfang der 1960er-Jahre, um mit geomagnetischen Untersuchungsmethoden den Sprung von der Theorie zur heute gültigen Lehrmeinung der Plattentektonik zu meistern. Diese besagt, dass die äußere, feste Schale der Erde in starre Platten zerbrochen ist. Diese Platten schwimmen auf den zähflüssigen Gesteinen und bewegen sich unabhängig voneinander pro Jahr um wenige Zentimeter.

Wegener war auch Abenteurer. Es lag im Geist der Zeit, die letzten unentdeckten Winkel der Erde zu erobern. Ein paar Wochen vor dem richtungweisenden Vortrag des Meteorologen etwa hatte Roald Amundsen mit seiner Expedition den Südpol erreicht. Wegeners Fotos in Inuitkleidung, die bei Grönland-Reisen gemacht wurden, erinnern an die Bilder des Entdeckers aus Norwegen. Während dieser aber in der Antarktis die Schlittenhunde verspeiste, kämpften Wegener und seine Gefährten in der Nordpolarregion um das Leben ihrer Tiere. Das verletzte Pony Grauni legten sie zum Beispiel auf einen Schlitten und zogen es allein mit Leibeskräften. Doch ein Kilometer vor einem Depot hauchte das Pferd sein Leben aus.

Auch in der Luft lieferte Wegener Höchstleistungen. 1906 gelang ihm und seinem Bruder ein besonderer Ballonflug. Sie landeten erst nach 52,5 Stunden und überboten damit den Weltrekord um 17 Stunden. Wegener starb 1930 im Alter von 50 Jahren im grönländischen Eis, vermutlich an Herzversagen. Heute erinnert der Name des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung mit Sitz in Bremerhaven an den Forscher.

(RP)
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