Will Smith und Oliver Pocher Öffentliche Ohrfeigen sind eine Klatsche für die zivilisierte Gesellschaft

Meinung | Düsseldorf · Erst trifft es Comedian Oliver Pocher am Rande eines Boxkampfes, dann langt Hollywoodstar Will Smith bei den Oscars zu. Ob aus Spaß oder Ernst – Gewalt vor Millionenpublikum ist nicht nur strafrechtlich problematisch.

Oscars 2022: Will Smith verpasst Chris Rock Ohrfeige - Fotos
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Will Smith verpasst Chris Rock eine Ohrfeige auf der Oscar-Bühne

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Foto: dpa/Chris Pizzello

Am Wochenende ging es buchstäblich Schlag auf Schlag. Zunächst bekommt Oliver Pocher am Rande eines Boxkampf-Events in Dortmund vom Rapper Fat Comedy eine heftige Backpfeife, die ihn beinahe von seinem Sitz reißt. Dann stürmt Hollywoodstar Will Smith während der Oscar-Verleihung in der Nacht zu Montag auf die Bühne und ohrfeigt ohne jede Vorwarung den Laudator Chris Rock während seiner Rede. Zwei Vorfälle in zwei verschiedenen Welten, deren Hintergründe und Ernsthaftigkeit nicht unmittelbar ersichtlich waren – aber die doch eines gemeinsam haben: sehr viel Aufmerksamkeit.

Dass die auch das erklärte Ziel der Aktionen gewesen sein muss, legen vor allem die Umstände im Fall Pocher nahe. So hat der bisher weitgehend unbekannte Rapper seine Attacke Social-Media-tauglich von einer anderen Person filmen lassen, um die Szene umgehend ebenda zu verbreiten. „Weil du einen unschönen Charakter hast“, schrieb der Musiker dazu, der damit offensichtlich einen Rap-Kollegen verteidigen wollte, gegen den es Vergewaltigungsvorwürfe gibt, und gegen den Pocher zuletzt ausgeteilt hatte – verbal. Eine Anzeige nehme er gerne in Kauf.

Im Fall Will Smith scheint die Ohrfeige zwar spontan, aber ebenfalls keinen humoristischen Hintergrund zu haben. Vielmehr schlägt der Hollywoodstar zu, kurz nachdem Laudator Chris Rock einen Witz auf Kosten der Frau von Smith macht, vor Millionenpublikum. Es geht um ihre kahl geschorene Frisur, die Jada Pinkett Smith wegen ihres gesundheitlich bedingten Haarausfall trägt – was sie mehrfach in Interviews erklärt hatte. Nun kann man den Scherz geschmacklos finden und mit den Augen rollen, wie Frau Smith es tat. Und auch das Vorverurteilen bei Vergewaltigungsvorwürfen kann man falsch finden. Beides aber rechtfertigt die Gewaltattacken nicht. Auch wenn es den Zulangenden um den vermeintlich noblen Akt geht, die Ehre eines anderen wieder herzustellen: Der Zweck heiligt die Mittel nicht.

Auch juristisch werden Ohrfeigen nicht bagatellisiert: Die Attacke mit der flachen Hand ins Gesicht ist in Deutschland eine Straftat und wird als Körperverletzung geahndet. Nach Paragraf 223 des Strafgesetzbuches (StGB) gilt: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Ersttäter kommen in der Regel mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe davon, berücksichtigt wird aber auch die Intensität der Ohrfeige. Wird die körperliche Unversehrtheit nicht wesentlich beeinträchtigt, wird sie als tätliche Beleidigung bewertet (Paragraf 185 StGB).  Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe könnten dann die Konsequenzen sein.

Fataler als die juristischen Folgen aber sind die gesellschaftlichen. Gewalt vor einem Millionenpublikum zur Primetime, noch dazu von Männern, die sich scheinbar nicht anders gegen eine Ehrverletzung zu wehren wissen – das ist der Gesamtsituation nicht gerade zuträglich. Die Gesellschaft verroht zunehmend – das zeigen nicht nur Statistiken, es ist auch eines der größten Probleme aus Sicht der Bervölkerung. Vor Gewalt und Verrohung hat eine Mehrheit in Nordrhein-Westfalen große Angst, wie die jüngste Forsa-Umfrage zum NRW-Check zeigt. 84 Prozent der Bevölkerung empfinden das demnach als größte Bedrohung für die Innere Sicherheit des Landes. Ein Sorge, die die Polizei teilt, und für die sie keine wirksame Lösung hat.

 Will Smith ohrfeigt Laudator Chris Rock bei der Oscarverleihung 2022.

Will Smith ohrfeigt Laudator Chris Rock bei der Oscarverleihung 2022.

Foto: dpa/Chris Pizzello

Es fängt mit einer Beleidigung an, mit dem Provozieren oder Bespucken von Polizeibeamten oder anderen Einsatzkräften, und endet immer öfter in tätlichen Angriffen. Auch die Ohrfeige – lange als Erziehungsmittel eingesetzt und glücklicherweise heute gesellschaftlich geächtet – gehört dazu. Wer sie einsetzt, gerade als Person der Öffentlichkeit, trägt zur Relativierung von Gewalt bei. Ganz egal wie ehrenwert der Grund dafür sein mag.

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