Köln Wie viel Zucker darf es sein?

Köln · Forscher und Politik fordern staatliche Vorgaben zur Zuckerreduktion. Händler und Hersteller reagieren schon jetzt.

1660 Anbieter aus 73 Ländern präsentieren noch bis morgen ihre Produkte auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln. Als Neuheiten wurde eine Schokolade mit Algen als Zutat vorgestellt. Ein Hersteller verwendet Reismilch für seine Tafeln. Zudem wird weiße Schokolade bunt und fruchtig, indem Himbeeren oder Mangos beigemischt werden. An den großen Trends der Messe hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor sind laktose- und glutenfreie, vegetarische und vegane, fett- und salzreduzierte Produkte gefragt.

Großes Thema auf der ISM sind aber auch Produkte mit weniger Zucker oder mit Zuckerersatzstoffen. So wurden neben zuckerreduzierten Schokoladen-, Back-, Bonbon- und Kaugummiprodukten auch gebrannte Mandeln ohne Zucker serviert. Denn nach Fett und Salz steht Zucker in zunehmend größerer Kritik, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine Reduzierung des Anteils an Zucker an der Gesamtenergiezufuhr auf unter fünf Prozent. Der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge wären das sechs Teelöffel. Ein hoher Zuckerkonsum begünstige die Entstehung der sogenannten Zivilisationskrankheiten - Diabetes mellitus Typ 2, Karies, Herz- und Gefäßkrankheiten.

Dass der Konsum von Zucker hierzulande hoch ist, liegt nicht zuletzt am Preis. Nirgendwo in Europa könne man so preisgünstig Süßwaren kaufen wie in Deutschland, sagte Uwe Lebens vom Handelsverband Sweets Global Network, und die Preise sollen stabil bleiben. Der Pro-Kopf-Verzehr habe hierzulande im vergangenen Jahr knapp 31 Kilogramm betragen, verteilt auf Süßigkeiten, Knabberartikel und Markeneis, berichtete der Bundesverband der Süßwarenindustrie (BDSI) im Vorfeld der Messe. Dies entspräche einen Wert von 97 Euro. Angesichts eines Gesamtverbrauchs von 670 Kilogramm Lebensmittel pro Person und Jahr mache der Anteil an Süßwaren aber nur weniger als fünf Prozent aus. Staatlichen Eingriffen erteilt der BDSI eine klare Absage. Auslöser war die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion am 18. Januar, staatliche Vorgaben zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln einzuführen. Die SPD begründete ihren Vorschlag mit bereits bestehenden Vorgaben anderer europäischer Länder.

Die meisten Hersteller und Händler versuchen bereits ohne staatliche Vorgaben, dem Trend zu folgen, so auch die Einzelhandelskette Rewe. Parallel zur Messe läuft dort unter dem Motto "Du bist Zucker, wie viel Zucker brauchst du noch?" seit dem 15. Januar eine Aktion zur Reduzierung von Zucker in ihren Eigenmarken. Bis 2020 will Rewe bei rund 200 Eigenprodukten den Zuckeranteil senken. Noch bis zum 10. Februar können Verbraucher mitentscheiden, ob der Schokopudding mit weniger Zucker besser schmeckt. Hierfür bietet Rewe aktuell ein Set mit vier Rezepturen an. Zur Wahl stehen normal, minus 20, minus 30 und minus 40 Prozent Zucker. Auf der Internetseite der Einzelhandelskette kann abgestimmt werden. "Wir haben bereits mehrere tausend Stimmen registriert, die Variante mit minus 30 Prozent liegt deutlich vorne", sagt Unternehmenssprecher Thomas Bonrath. Auf dem zweiten Platz liege die Variante mit minus 40 Prozent. Das zeige deutlich, dass Kunden mit weniger Zucker auskommen, dies sogar bevorzugen würden. Auch wenn Rewe nicht für alle 200 Produkte abstimmen lassen könne, diene die jetzige Aktion als Beispiel. "Wir wollen ja nicht gegen unsere Kunden entwickeln. Mit der Abstimmung beziehen wir den Verbraucher mit ein in den Prozess der Produktentwicklung."

Den Vorwurf, ob mit der Aktion nicht schlicht ein Teil der Entwicklung an den Verbraucher ausgelagert würde, weist Bonrath zurück. "Nur mit weniger Zucker ist es ja nicht getan, die ganze Rezeptur muss angepasst werden." Das könne man auch an den vier Varianten erkennen. Die mit weniger Zucker sind heller, weil zum Ausgleich die Anteile an Milch und Sahne steigen müssen, so Bonrath. "Darum ist der Kaloriengehalt auch nicht so viel niedriger, wie man vielleicht erwarten würde." Denn durch die gestiegenen Anteile an Milch und Sahne steigen auch Eiweiß- und Fettgehalt im Pudding.

(cha)
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