Viel Sonne, viel Alkohol Der 2018er ringt um Raffinesse

Mainz/Wiesbaden · Wenn es heiß wird in den Weinbergen, schießt der Zuckergehalt in den Trauben hoch. Das Ergebnis sind eher schwere Weine. Der 2018er liegt beim Alkoholwert dann schon mal über 15 Prozent.

Je später die Lese beginnt, desto mehr Alkohol kann der Wein haben.

Je später die Lese beginnt, desto mehr Alkohol kann der Wein haben.

Foto: ZB/Sebastian Kahnert

(dpa) Manche schwärmten schon von einem Jahrhundertjahrgang. Nach den ersten Verkostungen von 2018er Weißweinen fallen die Urteile jetzt deutlich ernüchtert aus. Das liegt am vielfach etwas höheren Alkoholgehalt. Schweren Weinen mangelt es an Raffinesse und Spritzigkeit – Eigenschaften, die bislang den besonderen Charakter der deutschen Weißweine geprägt haben. Der Stil deutscher Weißweine werde wohl auf Dauer etwas südländischer, sagt ein rheinhessischer Winzer zum Beginn der Hauptlese in dieser Woche.

Bei einer Verkostung „Großer Gewächse“, also der Spitzenweine des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), zeigten etliche Weiß- und Grauburgunder Alkoholwerte von 13,5 bis 14,5 Prozent. „Dieser Alkoholgehalt hängt mit dem besonderen Jahr 2018 zusammen“, sagt Jacques du Preez, Kellermeister des sächsischen VDP-Weinguts Schloss Proschwitz-Prinz zur Lippe. „In den Jahren davor hatten wir keine Probleme mit einem zu hohen Oechsle-Grad“, erklärt der Kellermeister zum Zuckergehalt im Traubenmost. „Inzwischen müssen wir darauf achten, dass er nicht durch die Decke schießt.“ Dabei war gerade das östliche Weinanbaugebiet Sachsen über Jahrzehnte hinweg für seine besonders trockenen Weine bekannt.

„Wenn ich drei, vier Tage später mit der Lese beginne, können bei hohen Temperaturen schnell mal fünf Grad Oechsle dazu kommen“, erklärt der Winzer Elmar Clemens aus Sulzheim in Rheinhessen, dem größten deutschen Anbaugebiet. „Das ist dann am Schluss ein gutes Prozent mehr Alkohol.“

Sein 2018er Silvaner der Lage Wörrstädter Rheingrafenberg weist einen Alkoholwert von 13,5 Prozent aus. „13 Prozent wären mir lieber gewesen, aber das ging nicht.“ Dabei habe er den Silvaner im vergangenen Jahr statt wie sonst erst Ende September schon am 2. September gelesen, so früh wie nie zuvor.

Allerdings gehen die Winzer mit einer frühen Lese auch ein Risiko ein. Zwar mag der Zuckergehalt schon voll ausgebildet sein. Die sogenannte physiologische Reife mit der Entwicklung der für den Geschmack entscheidenden Aromastoffe setzt aber meist etwas später ein als die Zuckerreife.

Dies sei gerade bei dem von Sonne, Wärme und Trockenheit bestimmten Jahrgang 2018 der Fall gewesen, sagt Sommelier (Weinberater) Joel Payne, Chefredakteur des Weinführers „Vinum“. „Im Schnitt haben die Weine einen Hauch mehr Alkohol und weniger Säure als im oft besseren Vorjahr“, sagt er nach der VDP-Verkostung im Kurhaus Wiesbaden über die „Großen Gewächse“ – in dieser Spitzenkategorie kostet eine Flasche im Schnitt 32 Euro.

Viele Winzer versuchen, mit einem frühzeitigen Beschnitt der Rebenblätter die Zuckerbildung in den Trauben zu drosseln. „Mit der Regulierung der Blattfläche kann man die Zuckerproduktion kontrollieren“, erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. „Es sind ja die Blätter, die in der Photosynthese den Zucker produzieren und in die Trauben leiten.“ Allerdings schützen die Blätter auch die Trauben vor Sonnenbrand, der bei den Hitzewellen in diesem Sommer ein Problem war.

„Die Winzer wissen, dass sie künftig öfter mit warmen, teilweise trockenen Jahrgängen rechnen müssen“, sagt Sommelier Payne. In einigen Anbauregionen wie Nahe und Mosel könnten die Weine davon profitieren. „In Rheinhessen und in der Pfalz ist mehr Vorsorge nötig.“ Schließlich sei es dort ohnehin schon überdurchschnittlich warm.

„Wir wollten bei unserem 2018er die Aromareife abwarten, das haben wir erkauft mit einem höheren Alkoholgehalt“, sagt Winzer Gerold Pfannebecker aus Flomborn in Rheinhessen. Sein Silvaner hat 14,5 Prozent Alkohol. Weil Alkohol auch konservierend wirkt, hofft er, dass seine Weine besonders langlebig sind, in der Flasche weiter reifen. Langfristig erwartet der Winzer, dass sich die Weine verändern werden: „Wir bekommen den südländischen Stil, ob wir wollen oder nicht.“

(dpa)
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