Neuss Vom Statussymbol zum Frühlingsboten

Neuss · Sie war Auslöser für den ersten Börsencrash der Geschichte - die Tulpe. Auch heute noch gehört sie zu den beliebtesten Blumen. Zurzeit sind kräftige Gelb-, Rot- und Pinktöne in Mode.

Wer an Tulpen denkt, der denkt an Holland. Tulpen sind das blühende Nationalsymbol der Niederlande. Jedes Jahr im Frühling reisen Touristen aus aller Welt dorthin, um sich die blühenden Tulpenfelder anzuschauen. Es gibt außerdem zahlreiche Feste und sogar Museen, in denen sich alles um die Tulpe dreht. Aber nicht jede Tulpe kommt aus Holland. Auch im Raum Neuss und am Niederrhein werden Tulpen produziert und europaweit vertrieben. Als Schnittblume, im Topf und als getrocknete Zwiebel. Die deutschen Tulpengärtner betrachten sich nicht etwa als Konkurrenten, sondern setzen auf Zusammenarbeit. 14 von ihnen treffen sich sogar regelmäßig im Tulpenclub, um sich gegenseitig zu unterstützen und auszutauschen.

Christoph Händle ist Vorsitzender des Tulpenclubs. Gemeinsam mit seiner Frau Susanne und seinem Schwiegervater Wolfgang Degenhardt führt er den Betrieb "Degenhardt Blumenzwiebeln" in Neuss, in dem jedes Jahr rund 14 Millionen Tulpenzwiebeln angebaut werden. "Die Tulpe ist der klassische Frühlingsbote", sagt Händle. Wenn die Natur noch wintergrau ist, sind die bunten Tulpen schon da und verbreiten gute Laune. Die Zahl der verkauften Tulpensträuße hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt: "Mittlerweile bekommt man frische Tulpen in jedem Supermarkt und an jeder Tankstelle."

Das war nicht immer so, betont der Tulpen-Kenner. Vor einigen hundert Jahren waren Blumen ein Statussymbol, ähnlich wie heute ein Sportwagen. Nur der Adel schmückte seine Parkanlagen mit Blumen. Die Tulpe, die ursprünglich aus der Türkei kommt, gilt sogar als Auslöser für den ersten Börsencrash der Geschichte. "Mitte des 17. Jahrhunderts herrschte in Holland ein regelrechter Tulpenwahn", erzählt Händle. Tulpenzwiebeln waren bei Spekulanten enorm beliebt, denn mit ihnen konnte man riesige Gewinne erzielen. "Eine bestimmte gestreifte Tulpe hatte damals beispielsweise denselben Wert wie das teuerste Haus an der Kaisergracht in Amsterdam." Die Folge: Immer mehr Tulpen kamen in kurzer Zeit auf den Markt - bis die Blase platzte und der Markt zusammenbrach. "Der Beliebtheit der Tulpe tat das aber keinen Abbruch", sagt der Gärtner.

Ob als klassische oder gefüllte Tulpe, als Papageien-Tulpe mit gewellten oder als Crispa-Tulpe mit gezackten Blättern. Rot, gelb, rosa, orange, weiß, lila oder mehrfarbig, mit langem oder kurzem Stiel. "Die Tulpe ist ein Dauerbrenner!" Aber auch bei Tulpen gibt es Trends. "Die Farben in der Modewelt sind maßgeblich für die Blumenfarben", sagt Händle. "Auch Einrichtungstrends spielen eine Rolle." Vor zwei Jahren etwa war Pastell total angesagt. Aktuell sind es kräftige Gelb-, Rot- und Pinktöne. Zwei der wichtigsten Sorten dieser Saison heißen Strong Gold und Strong Love - die eine ist leuchtend-gelb, die andere knallig-rot.

Wer Tulpen mag, hat mehrere Möglichkeiten, sich an den Frühblühern zu erfreuen: im Beet, in der Vase oder im Topf auf dem Balkon. Die Mehrheit entscheidet sich für die schnelle Variante: "Der Markt mit Schnittblumen und Topfpflanzen boomt", sagt der Gärtner. "Die Menge verkaufter Tulpenzwiebeln nimmt hingegen seit gut zehn Jahren ab. Zwiebeln sind vielen Leuten zu kompliziert", vermutet er. Dabei stecke in so einer Zwiebel alles, was die Pflanze braucht. "Man muss sie lediglich zwischen September und November im lockeren Boden einpflanzen." Bekommt sie dann noch genügend Wasser und Licht, steckt die Tulpe Ende Februar ihr Köpfchen aus der Erde. Wenn sie verblüht ist, wird einfach der Blütenkopf entfernt. "So geht die gesamte Kraft in die Zwiebel", erklärt der Experte. "Blätter und Stängel können stehen bleiben, ein wenig Dünger ist jetzt hilfreich." Dass man verblühte Tulpen ausgraben muss, sei hingegen ein Märchen. "In der Regel schafft eine Tulpe zwei bis drei Jahre, erst dann müssen neue Zwiebeln her." Noch pflegeleichter sind Wildtulpen und botanische Sorten. "Die sind zwar kürzer und haben kleinere Blüten, aber dafür muss man bei denen gar nichts machen." Auch Tulpen im Topf lassen sich übrigens im Garten einpflanzen. Entweder direkt nach dem Kauf oder erst nach der Blüte. Schnitt-Tulpen brauchen am meisten Pflege. Man sollte die Tulpen sofort anschneiden, die Vase nachts an einen kühlen Ort stellen und regelmäßig den Wasserstand kontrollieren. "Denn Tulpen brauchen sehr viel Wasser", sagt der Fachmann. Und noch ein Tipp von seiner Frau Susanne: Die schwört auf ein paar Tropfen Zitronensaft im Wasser.

(RP)
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