Vatertag Väter sind die Geweihträger der Familie

Unser Autor ist Vater eines fünfjährigen Sohnes. Und er fragt sich, ob er gebraucht wird in seiner Familie. Ob er tatsächlich das Oberhaupt ist.

Lange habe ich mir Gedanken über meine Rolle innerhalb der Familie gemacht. Ich war nicht sicher, ob ich wirklich gebraucht werde. Es gab Indikatoren dafür, dass ich das dritte Rad am Wagen sein könnte.

Neulich etwa verteilte mein Sohn David Aufgaben. Er macht das jeden Tag, wir müssen dann Dinosaurier sein, Haie oder Fußballspieler. Nun sollten wir Rehe sein. Er sagte: "Mama ist die Hirschkuh, ich bin das Reh, und Papa ist mein Bruder." Ich wollte nicht der Bruder sein. Ich sagte: "Ich möchte lieber der Hirsch sein, der Papa-Hirsch." Ich dachte, so mache ich David spielerisch auf die wichtige Funktion des Geweihträgers innerhalb einer Familie aufmerksam, auf die Bedeutung des Oberhaupts. Er entgegnete: "Der Hirsch ist schon gestorben."

Es gibt weitere Erfahrungen dieser Art, sie sind alle nicht sehr schön. Als ich für eine Woche in Berlin war, rief ich jeden Tag mehrmals zu Hause an. Sandra sagte an einem Abend: "Wir denken ganz viel an den Papa, oder?" Aber David rief aus dem Hintergrund: "Also, ich denke gerade nicht an den Papa."

Und als er sich jüngst ausmalte, wie das wäre, später einen Porsche zu fahren, sagte er: "Mama soll dann vorne sitzen." Ich fragte, was mit mir sei, wo ich sitzen soll. Er sagte: "Hinten." Wer mal im Porsche versucht hat, sich auf die Rückbank zu setzen, weiß: Das war eine Demütigung.

Ich machte mir Sorgen. Woran mag es liegen, dass ich nicht auf den Beifahrersitz darf? Wieso bin ich nicht der Hirsch? Ich bin nicht so oft zuhause, vielleicht könnte das ein Grund sein. Und: Wenn ich einkaufen gehe, bringe ich Süßigkeiten und Fanta mit, vergesse aber Brot und Milch. Ich ziehe David manchmal die falschen Sachen an, er schwitzt dann im Kindergarten oder bekommt nasse Füße.

Andererseits sorge ich für gute Stimmung. Das sehe ich als meinen Haupt-Job an, als Kernkompetenz: Wenn David weint, schaffe ich es, ihn zum Lachen zu bringen. Wenn er schlechte Laune hat, mache ich, dass er schmunzelt. Mit mir als Hirsch würden wir verhungern. Aber wir würden uns dabei bestens amüsieren.

Heute Morgen hörte ich, wie David zu Sandra sagte: "Wenn wir uns einen Papa aussuchen dürften, würden wir unseren nehmen, oder?" Ich konnte nicht verstehen, was Sandra antwortete.

Aber ich war sehr erleichtert.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort