„Ich bin ein Star“-Favoritencheck Wer die besten Chancen auf die Dschungelkrone hat – und warum
Meinung | Düsseldorf · An diesem Sonntag steht das Finale von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ an. Schon jetzt zeichnet sich ab: Wieder haben es eher die schlichten Gemüter geschafft, die Sympathien des Publikums zu gewinnen. Deshalb haben zwei der letzten Drei beste Chancen auf den Sieg.

Dschungelcamp 2023 – wer ist raus?
Über das RTL-Dschungelcamp als Mikrokosmos der Gesellschaft ist schon viel geschrieben worden. Es geht, wie im echten Leben, auch im australischen Busch stets um das soziale Gefüge, um das Miteinander verschiedenster Menschen unter erschwerten Bedingungen; um existenzielle Erfahrungen, die jeder Mensch anders bewältigt. Reis und Bohnen, der tägliche Kampf um Goodies, Schlafmangel, Wetterextreme: Der Zwang zum Verzicht, zum Verlassen der eigenen Komfortzone, zum Einlassen auf Unabsehbares – all das weist auch 2023 erstaunlich viele Parallelen zur Realität auf.
Corona hat Grundsätzlichkeiten durcheinandergewirbelt, Menschen haben Jobs verloren oder nahe Angehörige. Der Angriffskrieg in der Ukraine hat Unwägbarkeit und auch Sorgen auf einer viel abstrakteren Ebene geweckt. Wird Deutschland Teil des Krieges werden? Reichen die Energiereserven auch für die kommenden Winter? Wohin führen Heizkostenrechnungen und Preissteigerungen im Supermarkt noch? Dieser Verzicht und diese Ängste haben gewiss eine andere Dimension als die in jenem beliebten RTL-Format, das vorwiegend der Unterhaltung dient. Und doch greifen vor den Kameras Mechanismen, die beim Publikum für Sympathie oder eben Abneigung sorgen. Das hat natürlich viel damit zu tun, wie man selbst ist, wie man selbst gern wäre, oder welchen Charakter man am meisten schätzt.
Betrachtet man die Gewinner und Gewinnerinnen sämtlicher zurückliegender Dschungelcamp-Staffeln, zeigt sich: Was zählt, sind zutiefst menschliche Eigenschaften, und zwar eben nicht aus der Kategorie Show. Das Publikum schätzt das Echte, das Nahbare, das Unverstellte. Sei es die unverfrorene Direktheit von Diva Desirée Nick (Gewinnerin 2004), die unverbrauchte Welpenhaftigkeit von Joey Heindle (Gewinner 2013), die bis zur Selbstaufgabe reichende Bescheidenheit von Menderes Bagci, oder die bestenfalls gutgläubige Naivität von Evelyn Burdecki (Siegerin 2019). Authentizität ist eben etwas, das sich weder aneignen noch verstecken lässt. Sie verhilft allen auf den Thron.

„Dschungelcamp“-Einschaltquoten 2023 – So viele Menschen verfolgten die Show live
Wer in dieser Staffel von vornherein eher wenig Chancen hatte, ist daher klar: Moderatorin, Oliver-Kahn-Ex und Medienprofi Verena Kerth zum Beispiel, die seit Bekanntgabe ihrer Teilnahme in Interviews schon darauf abzielte, nicht nur Frau des Dschungelkönigs Marc Terenzi, sondern auch ebenbürtige Königin werden zu wollen. Zu berechnend, zu zweckgebunden, zu sehr Zahnpasta-Lächeln – das Publikum wählte sie als Erstes aus dem Camp. Immerhin mit dem Antrag hat es dann geklappt, medienwirksam vor laufenden Kameras. Ähnlich fernsehfreundlich verhält sich Lucas Cordalis, immerhin nun Finalist, dessen Sprüche allerdings so glatt gebügelt wirken, als kämen sie aus einem Schlagersong-Textautomaten. “Morgen ist ein neuer Tag“, mimte er etwa den Motivator, wenn es drauf anzukommen scheint. „Ich weiß gar nicht, wie lange kann man das aushalten ohne?“, lenkte er die Aufmerksamkeit gezielt auf sein Sexualleben. Und natürlich flossen Tränen um seinen verstorbenen Vater und Ur-Dschungelkönig Costa Cordalis, den er unbedingt beerben will.
Dramaturgie kommt aber nicht zwingend von Drama, jedenfalls nicht in seiner absehbaren, geskripteten Form. Die Publikumslieblinge dieser Staffel profitieren vielmehr von ihrer Unbedarftheit, ihrer Selbstironie, ihrer Bereitwilligkeit, eben nicht perfekt zu erscheinen. Djamila Rowe (55) etwa, die für viele nicht für mehr bekannt ist als eine 20 Jahre alt Pseudo-Affäre und ihrem immensen Widerwillen, optisch zu altern. Doch gerade weil sie sich selbst als Botox-Baustelle bezeichnet, an der immer was zu tun ist, sich so uneitel, aber zugleich sensibel und warmherzig verhält, hat sie beste Chancen auf den Thron. Gleiches gilt für Gigi Birofio, Fernseh-Fummler, der seiner Profession „Reality-Star“ im Dschungel alle Ehre macht. Mit einfachen, aber treffenden Kandidatenanalysen wie „Die hat so ein CDU-Mann gevögelt und wurde so berühmt“ (über Djamila), oder „Er will auf jeden Fall ein Bild von sich zeigen, die Perfektion“ (über Lucas) gibt Gigi schlicht die Realität wider.
Dass der 23-Jährige nach eigenen Angaben der Berühmtheit wegen in die Politik gehen will, um sich als Liebhaber anzubieten – nicht etwa, um die Welt zu regieren, macht ihn so sympathisch. Er möchte nicht die Welt erklären, und doch bricht er sie in ihrer Komplexität auf einige wenige (grammatikalisch fragliche) Sätze runter. Kombiniert mit einem Minimum an Teamgeist (erfolgreiche Gruppenprüfungen) und Sensibilität (Tränen beim Abschied seiner besten Freundin im Camp) sind ihm die besten Chancen auf die Dschungelkrone sicher. Die Favoriten des Finales heißen Djamila und Gigi. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Es ist die Einfachheit des Seins, die das Publikum zu schätzen scheint. Und vielleicht auch ein bisschen bei sich selbst zu vermissen.