Mord bei Gerichtsverhandlung in Dachau Todesschütze wird psychiatrisch untersucht

Dachau · Am Tag nach der Bluttat an einem Gericht in Dachau sitzt der Schock tief. Ein 54-jähriger Angeklagter hatte bei einer Verhandlung wegen Scheinselbstständigkeit eine Pistole gezogen und um sich geschossen. Der junge Staatsanwalt Tilman T. erlag seinen Verletzungen. Der Täter soll jetzt auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht werden.

Januar 2012: Mann erschießt Staatsanwalt in Dachauer Gerichtssaal
9 Bilder

Januar 2012: Mann erschießt Staatsanwalt in Dachauer Gerichtssaal

9 Bilder

Wie die Münchener "Abendzeitung" in München berichtet, handelte es sich bei Tilman T. um einen der hoffnungsvollsten jungen Juristen in Bayern. Sein erstes Staatsexamen hatte T. demnach mit der Note "gut" bestanden, was bei Rechtswissenschaftlern als ungewöhnlich gut gilt. Sein zweites Staatsexamen absolvierte der 31-Jährige als Drittbester. Anschließend bestand das Opfer an der New York Universität die Prüfung zum Master of Law. Bis zu seinem gewaltsamen Tod am Donnerstag arbeitet T. bei der Staatsanwalt München II.

Der Täter schweigt

Am Mittwochnachmittag hatte ein 54-jähriger Fuhrunternehmer während der Urteilsverkündung gegen 16 Uhr eine Waffe gezogen und auf den Richter geschossen. Die Kugel verfehlte ihn. Dann nahm er den jungen Staatsanwalt ins Visier und feuerte mehrmals auf ihn. Drei Kugeln trafen den jungen Ankläger. Trotz einer Notoperation starb der Mann im Krankenhaus. Der nicht vorbestrafte Unternehmer stand wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge und Scheinselbstständigkeit vor Gericht. Eine SicherheitsschIeuse am Eingang gab es nicht.

Jetzt soll die Zurechnungsfähigkeit des Täters untersucht werden. "Wie immer bei Kapitalverbrechen wird es eine psychiatrische Untersuchung des Beschuldigten geben", sagte die Münchner Oberstaatsanwältin Andrea Titz am Donnerstag. Der 54-Jährige sollte noch am Donnerstag (15.00 Uhr) dem Haftrichter vorgeführt werden.Inzwischen stellte die Staatsanwalt Haftbefehl wegen Mordes. Der Mann schweigt bisher zur Tat.

Der Fall hat eine neue Debatte über die Sicherheit an deutschen Gerichten ausgelöst. Weitreichende Forderungen nach schärferen Kontrollen gibt es aber nicht. "Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können", sagte der Münchener Generalstaatsanwalt Christoph Stötz.

"Das Volk hat das Recht zur Teilnahme"

Zwar werde die Sicherheitsfrage bei Prozessen intensiv diskutiert und man habe ein Sicherheitskonzept erstellt, erläuterte Strötz weiter. Aber "uns ist bewusst, dass wir nicht alle 250 bayerischen Justizgebäude zu Sicherheits- und Trutzburgen ausbauen können", sagte er weiter. "Wir sprechen im Namen des Volkes Recht und dann hat auch das Volk das Recht, daran teilzunehmen." Bereits am Mittwoch hatte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) gesagt, Justizgebäude könnten nicht vollständig abgeschottet werden.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hält generell verstärkte Sicherheitskontrollen in Justizgebäuden für "überzogen". Der Vorsitzende des bayerischen Landesverbands, Hermann Benker, erklärte am Donnerstag: "Höhere Sicherheitsmaßnahmen soll es nach wie vor nur geben, wenn konkrete Anhaltspunkte für Bedrohungsszenarien bekannt sind."

Jacken und Taschen ablegen

Nach Benkers Ansicht würden bereits weniger aufwendige Maßnahmen für mehr Sicherheit sorgen. So wäre eine Eingangskontrolle durch Ablegen von Jacken und Taschen realisierbar. Auf diese Weise könne nicht "jeder Prozessbeteiligte oder Besucher unbehelligt ein Justizgebäude betreten" und in seiner Kleidung oder in Taschen versteckte Waffen mitbringen.

Der Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) zeigte sich bestürzt über den Mord. "Es ist tragisch, dass ein junger Mensch bei Ausübung seines Berufs gestorben ist", sagte Bürgel am Donnerstag. "Da fehlen einem wirklich die Worte." Bislang gab es laut Bürgel keine Probleme mit Gewalt am Dachauer Amtsgericht. Ihm sei lediglich ein Fall aus dem Jahr 1980 bekannt, als ein Mann mit einer Gaspistole um sich geschossen habe.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort