Essen Streit um Essener Bischofs-Skulptur

Essen · Mit einer überlebensgroßen bunten Statue auf dem Domplatz ehrt das Bistum Essen seinen ersten Bischof Franz Kardinal Hengsbach (1910–1991). Seit der feierlichen Enthüllung vor drei Wochen reißen die Diskussionen nicht ab. Das Werk wird als "peinliche Karnevalsfigur" beschimpft.

Sonntagsmorgens um 11.30 Uhr ist auf der Kettwiger Straße noch nicht viel los. In den leeren Buden für den Weihnachtsmarkt wird geräumt und gewerkelt, riesige Weihnachtskugeln schaukeln an den Lichterketten über den menschenleeren Straßen. Nur auf dem Domplatz gleich neben der Fußgängerzone stehen Menschen in kleinen Grüppchen vor einer bunten Figur, machen Handyfotos, runzeln die Stirn, reden sich in Rage, schütteln den Kopf – oder sind einfach sprachlos.

Annemarie Greiner hat die Sprache inzwischen wiedergefunden: "Man gewöhnt sich daran", sagt die pensionierte Lehrerin aus dem Stadtteil Altenessen. Aber ihr erstes Wort im Anblick der Skulptur sei gewesen: "Nää!!" In der Skulptur aus Bronze und Keramik der Bildhauerin Silke Rehberg erkannte sie nicht den Franz Hengsbach wieder, der oft genau an dieser Stelle nach der Messe mit ihr sprach und sich nach den Söhnen erkundigte. Schon als Bischof Franz-Josef Overbeck die Statue am 13. Oktober im Beisein ihrer Mit-Finanziers Berthold Beitz (Krupp-Stiftung) und Evonik-Chef Klaus Engel enthüllte, soll einem Bistums-Mitarbeiter herausgerutscht sein: "Tja, muss man mögen."

So zurückhaltend drücken sich die wenigsten Kritiker des Hengsbach-Denkmals aus. Politiker und Einflussgrößen fordern inzwischen das Einschreiten des Denkmalschutzes, weil Rehbergs "peinliche Karnevalsfigur" Dom und Platz verschandele. Auch aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter wird das Bistum kritisiert: Statt eine einsame Entscheidung für Rehberg zu treffen, hätte man lieber einen zweiten Entwurf zur Diskussion stellen sollen. Der hätte Hengsbach in drei Ansichten als Bischof, als Bergmann und als Bürger gezeigt "und besser zu uns gepasst", sagt ein Angestellter.

Bis heute ist der fortschrittliche und zugleich konservative Kirchenführer Hengsbach für viele Essener ihr "Kumpel Franz", der bei seiner Amtseinführung 1958 in der Sprache des Bergbaus auf dem Burgplatz zu 15 000 Menschen sagte: "Nun ist der neue Bischof gleichsam hier vor Ort gegangen. Nun gehören wir zusammen. In Gottes Namen wollen wir die erste Schicht verfahren. Glück auf!" Hengsbach lebte Brüderlichkeit und Solidarität; ihre Parodie, die Distanzlosigkeit, war ihm zuwider. Mit den Papst-Kritikern auf dem Essener Kirchentag 1968 konnte er so wenig anfangen wie mit der südamerikanischen Befreiungs-Theologie. Ihr setzte er das Hilfswerk Adveniat entgegen und schrieb damit Weltkirchen-Geschichte. Nur ihm traute der Essener Polizeipräsident im November 1971 die reibungslose Übergabe von sieben Millionen Mark Lösegeld an die Entführer des Aldi-Gründers Theo Albrecht zu; Hengsbach vertrauen die Gangster.

Während sich draußen die nächsten Grüppchen einfinden und die nächsten Handy-Fotos gemacht werden, beginnt im Dom die nächste Messe mit dem Lied 262 aus dem Gotteslob: "Nun saget Dank und lobt den Herren, denn groß ist seine Freundlichkeit." Diejenigen, die die Skulptur nicht gleich in Bausch und Bogen verdammen, landen bei Lydia Schulz an der Info-Theke der Domschatzkammer auf der anderen Seite des Platzes. "Die meisten fragen, was der gespiegelte Wolf mit dem Lamm unter den Füßen der Figur bedeuten soll", sagt sie und erklärt dann die Legende, nach der Hengsbachs Namenspatron Franz von Assisi einen Wolf durch seine Predigt bekehrt haben soll. Ein Faltblatt zur Skulptur gibt es nicht. Und so sind sich viele der Grüppchen auf dem Platz mit ihrer Meinung und Interpretation selbst überlassen.

Über ihnen lächelt das Keramik-Antlitz der Hengsbach-Skulptur. das Kritiker "dümmlich" nennen. Anfangs habe sie die bunte Statue an die Projektwochen-Arbeit eines Oberstufen-Kurses erinnert, sagt Annemarie Greiner, und sich an dem blassen Gesicht und den hängenden Augenlidern gestört. Das Lächeln der Skulptur sei dann aber doch Hengsbach, "und vielleicht gewöhnt man sich ja daran."

(RP)
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