„koffie-euthanasie“ Erstmals Strafverfolgung nach Sterbehilfe in den Niederlanden

Den Haag · Eine Ärztin hatte im Jahr 2016 bei einer dementen Patientin Sterbehilfe durchgeführt. Der Todeswunsch der 74-Jährigen sei jedoch nicht eindeutig gewesen, urteilte eine Prüfungskommission. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun.

In den Niederlanden wurde 2017 bei 166 Menschen mit Demenz die Sterbehilfe durchgeführt (Symbolbild).

In den Niederlanden wurde 2017 bei 166 Menschen mit Demenz die Sterbehilfe durchgeführt (Symbolbild).

Foto: dpa

Zum ersten Mal seit der Einführung des Sterbehilfegesetzes im Jahr 2002 wird eine niederländische Ärztin strafrechtlich verfolgt, nachdem sie die Sterbehilfe bei einer dementen Person durchgeführt hat. Die Staatsanwaltschaft wirft der Ärztin vor, fahrlässig gehandelt zu haben, da die 74-jährige Patientin dement und willensunfähig gewesen sei.

Der Fall ereignete sich im Jahr 2016. Die betroffene Ärztin ist mittlerweile pensioniert. Ihre damalige Patientin war in ein Pflegeheim eingeliefert worden, was die ältere Dame partout nicht wollte. Vor ihrer Demenz-Erkrankung hatte sie dies bereits in einer schriftlichen Erklärung festgehalten. Darin schrieb die frühere Erzieherin auch, dass sie „menschenwürdig“ Abschied nehmen wolle, wenn sie selbst denke, dass die Zeit dafür gekommen sei. Die Ärztin hatte nach eigenen Angaben gemerkt, wie unglücklich ihre Patientin in dem Seniorenheim gewesen sei. Die Patientin konnte dies allerdings nicht mehr mitteilen. Am Tag der Durchführung der Sterbehilfe rührte die Ärztin ein Schlafmittel in den Kaffee der Frau, um danach im Beisein der Verwandten die Sterbehilfe durchzuführen. Der Fall wurde als „koffie-euthanasie“ bekannt.

Ein Prüfungsausschuss kontrolliert in den Niederlanden nach jeder durchgeführten Sterbehilfe, ob der jeweilige Arzt nach den gesetzlichen Normen oder fahrlässig gehandelt hat. Letzteres kam in den vergangenen Jahren immer wieder mal vor. Jeder Fall, der als „fahrlässig“ eingestuft wird, geht automatisch an die Staatsanwaltschaft. Bisher hatte diese jedoch nie die Notwendigkeit gesehen, auch strafrechtlich zu ermitteln. Der jetzige Vorfall ist daher ein Novum. Zuvor hatte ein Disziplinargericht vor allem die im Geheimen stattgefundene Verabreichung des Schlafmittels durch die Ärztin kritisiert.

Ein Richter muss nun abschließend feststellen, ob die Ärztin sich ausreichend vergewissert hatte, dass die Frau tatsächlich sterben wollte oder ob die Willenserklärung deutlich genug war, um das Handeln der Ärztin zu rechtfertigen. Wann die Gerichtsverhandlung in Den Haag beginnt, ist noch nicht bekannt.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verunsichern die Ärzte im Land. Insbesondere bei dementen Patienten ist die Sterbehilfe eine Grauzone. Generell besagt das Gesetz, dass die Demenz bei Patienten nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium darstellt. Wenn ein Patient „unerträglich“ und „aussichtslos“ leidet, können Ärzte die Sterbehilfe in Betracht ziehen. Der Patient muss dann aber freiwillig zu dem Entschluss kommen, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Zusätzlich muss ein zweiter Arzt die Situation einschätzen. 2017 wurde in den Niederlanden bei 166 Menschen mit Demenz im Anfangsstadium die Sterbehilfe durchgeführt.

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