Klärung von Concorde-Unglück kann Jahre dauern Startbahn nur teilweise inspiziert

Paris (dpa). Bei der Suche nach der Ursache für die am 25. Juli bei Paris abgestürzte Concorde sind die Ermittler einer Verkettung verhängnisvoller Fehlentscheidungen auf der Spur. Neben der Frage nach der ungewöhnlich katastrophalen Wirkung eines Reifenplatzers stehen dabei eine nur teilweise durchgeführte Pisten-Inspektion sowie ein vorsätzlich abgestelltes Triebwerk im Mittelpunkt.

Nach Angaben der Zeitung "Le Monde" (Samstag-Ausgabe) hat der Pilot das Triebwerk Nummer zwei abstellen lassen, weil er dort auf Grund einer Anomalie - zu unrecht - einen Brand vermutete. Das Blatt stützt sich bei seinen Angaben auf den am Donnerstag präsentierten ersten Zwischenbericht der französischen Flugunfall- Untersuchungsstelle BEA. "Das zur Feuerbekämpfung durchgeführte vorsätzliche Abstellen von Triebwerk Nummer zwei erwies sich als unnötig, da keins der vier Concorde-Triebwerke Feuer gefangen hatte. Ihre Überprüfung durch die BEA ergab keine Spur von Flammen."

Der Brand habe lediglich die linke Tragfläche betroffen, was die Besatzung aber überhaupt nicht habe wissen können. Als in der kritischen Flugphase auch noch Triebwerk Nummer eins ausfiel, war das Flugzeug nicht mehr in der Luft zu halten.

Die Piste, auf der ein 43 Zentimeter langes Metallteil wahrscheinlich einen fatalen Reifenplatzer am Concorde-Fahrwerk auslöste, war nur am Morgen des Unglückstages sowie teilweise am Mittag inspiziert worden. Das gab BEA-Direktor Paul-Louis Arslanian am Freitag in Le Bourget (bei Paris) bekannt. Nach der morgendlichen Inspektion um 0430 Uhr war nur noch gegen Mittag der westliche Teil der betreffenden Piste abgefahren worden. Grund dafür war der Verdacht auf eine Kollision zwischen einem Vogel und einem startenden Flugzeug in diesem Teilstück. Eine Feuerwehrübung mit mehreren Fahrzeugen auf dieser Startbahn hatte dann die für 1500 Uhr geplante Inspektion verhindert.

Normalerweise hat die Betreibergesellschaft AdP drei tägliche Inspektionen ihrer Start- und Landebahnen vorgesehen. "Natürlich bin ich erstaunt, dass es dort an diesem Tag keine Pisten-Inspektion gab. Es ist normal, dass man sich diese Frage stellt. Doch ich habe noch keine Antwort darauf", sagte Arslanian, der aber vor voreiligen Schlüssen warnte. Die Analyse der Umstände, die am 25. Juli bei Paris zum Absturz einer Concorde geführt hat, dürfte noch Jahre in Anspruch nehmen. "Wir brauchen noch monatelang, ja vielleicht sogar Jahre, um einen Abschlussbericht vorlegen zu können, in dem die Gründe für den Unfall dargelegt werden", erklärte Arslanian.

Im Zentrum des Interesses wird dabei die Frage stehen, warum ein Reifenplatzer am Hauptfahrwerk derart verhängnisvolle Folgen für das Flugzeug haben konnte. Das dafür offenbar ursächliche Metallstück wurde inzwischen als Fragment identifiziert, "das Charakteristika eines Luftfahrt-Teils aufweist." Außerdem erhofft man sich Aufschluss aus der Rekonstruktion des ausgebrannten Wracks, dessen Trümmer am nördlich vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle gelegenen Absturzort Gonesse aufgesammelt wurden. Bei dem Unglück waren 113 Menschen ums Leben gekommen, darunter 97 Deutsche. Ein Anwalt von Angehörigen der am Boden getöteten Opfer forderte in den USA eingehende Studien der Qualität von Goodyear-Reifen, wie sie die Concorde benutzte.

In dem Zwischenbericht wird erstmals der letzte Dialog zwischen dem Cockpit und dem Kontrollturm veröffentlicht. Daraus geht klar hervor, dass der Pilot mit der brennenden Concorde eine Notlandung auf dem schräg vor ihm liegenden Flughafen Le Bourget versuchen wollte. Ein sicherer Startabbruch war ihm zuvor unmöglich gewesen, da er den kritischen Punkt ("V1") dafür bereits überschritten hatte. Der Fluglotse, der die Cockpit-Besatzung während des Startvorgangs über die Flammen am Heck informierte, hatte ihr eine Umkehr auf die Startbahn angeboten und Priorität eingeräumt.

"Negativ, wir versuchen es mit Le Bourget", waren die letzten Worte der Crew neun Sekunden vor dem Absturz. Sie hatte zuvor vergeblich versucht, die für die Concorde extrem niedrige Fluggeschwindigkeit durch das Einfahren des Fahrwerks zu erhöhen, das im Flug erheblichen Luftwiderstand bietet.

Zum derzeit aus Sicherheitsgründen bestehenden Flugverbot für die zwölf Concorde-Maschinen von Air France und British Airways wollte sich Arslanian nicht äußern. "Langfristige Hypothesen dazu gehören nicht zu unserem Aufgabenbereich", sagte er. Vorbedingung für eine Wiederaufnahme der Flüge sind nach einer Anordnung des Pariser Verkehrsministeriums die restlose Aufklärung der Unfallursache sowie zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, die eine französisch-britische Expertengruppe derzeit erarbeitet. Ihr nächstes Treffen findet am 7. September in Paris statt.

Anwalt der Concorde-Opfer fordert Prüfung von Goodyear-Reifen

Ein Anwalt von Angehörigen der Concorde-Opfer fordert eine vertiefende Studie über die Rolle der Goodyear-Reifen bei dem Absturz am 25. Juli. Die zuständige französische Flugunfall- Untersuchungsstelle BEA solle sich in den USA über die Qualität der Reifen dieser Marke informieren, forderte am Freitag Anwalt Karim Ouchikh. Er vertritt die Angehörigen der vier Menschen, die am Boden durch den Absturz ums Leben kamen.

(RPO Archiv)
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