40 Millionen Nachrichten pro Tag SMS legen Philippinen lahm

Manila (dpa). Die Scherze waren schlecht, ihre Wirkung aber verfehlten sie nicht. Erst war angeblich Papst Johannes Paul II. gestorben, dann der ungeliebte Präsident Joseph Estrada zurückgetreten, und am Ende soll auch noch sein populärer Vorgänger Fidel Ramos beim Golf zusammen gebrochen sein - Nachrichten, die am 1. und 2. April auf unzähligen philippinischen Handys aufleuchteten und, je nachdem, zehntausendfach Besorgnis oder Freude auslösten.

Dabei blieb es freilich nicht: Immer neue, per Handy-SMS (Short Message Service) versandte Gerüchte sorgen weiter für Wirbel in dem Inselstaat und sind inzwischen sogar zum Politikum avanciert.

Auch Börsenanalyst Astro del Castillo in der Hauptstadt Manila ließ sich narren. "Als ich die Nachricht von Estradas Rücktritt sah, habe ich sofort den Fernseher angemacht. Es wäre ja immerhin möglich gewesen", berichtet er. Mittlerweile haben die SMS-Piraten schwerere Geschütze gegen den Staatschef und Ex-Schauspieler aufgefahren: "Erap (Estradas Spitzname) ist heute morgen gestorben. Betet, dass dies kein Scherz ist", hieß es vergangene Woche auf den Displays.

Während in den wohlhabenderen Ländern Asiens Handys zum guten Ton gehören, gelten die Filippinos mit geschätzten 40 Millionen drahtlos verschickten Botschaften pro Tag weltweit als die SMS-Verrücktesten. In Deutschland drückten dagegen Freunde der Kurzmitteilung im gesamten Jahr 1999 nur fünf Milliarden Mal den Sendeknopf.

Das Phänomen droht nun die politische Führung der Philippinen zu überrollen. Zwar sei es das Recht jeden Bürgers, die Botschaften zu verschicken, sagt Regierungssprecher Ronaldo Zamora. "Zum Problem werden sie aber dann, wenn sie mit ihrem Inhalt Frieden und Ordnung gefährden." Er sieht nicht Einzelne, sondern eine "konzertierte Aktion" hinter den Attacken gegen den Präsidenten, dem viele seiner Landsleute Mauscheleien, Raffgier und Inkompetenz vorwerfen.

Mancher fühlt sich indes an die Zeit erinnert, als Journalisten mit heimlich kopierten Flugblättern Front gegen Diktator Ferdinand Marcos machten, der 1986 gestürzt wurde. "Den Botschaften wohnt derselbe Geist kreativer Rebellion inne", meint der Kolumnist der Zeitung Philippine Daily Inquirer, Conrado de Quiros. "Die Mitteilungen sind eine der subversivsten Aktivitäten, wenn nicht die subversivste Aktivität des Landes überhaupt." Denn sie seien auch für Bürger attraktiv, die sich sonst von der Politik fern halten.

Verzweifelt rufen Politiker schon nach Überwachung der SMS-Manie, doch darf Telekommunikation auf den Philippinen weder reguliert noch zensiert werden. Nach einem Vorschlag des Chefs der staatlichen Kommission für Telekommunikation, Joseph Santiago, könnte eine Zusammenarbeit von Medien und Handy-Betreibern Abhilfe schaffen: Tauchen Falschmeldungen auf, sollten Nachrichtenprofis einfach Richtigstellungen formulieren und im Netz verbreiten.

Die mächtige katholische Kirche auf den Philippinen hat indes eigene Wege gefunden, den Umtrieben zu begegnen. Als die SMS-Piraten am 1. April den Tod des Papstes in die Welt setzten, ging auf Kirchenämter eine Flut von Anrufen von besorgten Gläubigen nieder. "Wir haben ihnen inzwischen verziehen", meinte später der Sprecher der Bischofskonferenz, Pedro Quitorio. "Aber wir hoffen, dass sich diese Leute das nächste Mal ein anderes Thema für ihre Witze suchen."

(RPO Archiv)
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