Köln Silvester-Premiere: "Dinner op Kölsch"

Köln · 50 Jahre nach der NDR-Fassung des "Dinner for One" gibt es heute im WDR-Fernsehen Ähzesupp statt Mulligatawny Soup.

Für die x-te Mundart-Variante des Silvester-Klassikers hat der WDR die Handlung ins Köln des Jahres 2064 verlegt. In diesem künftigen Köln ist der Dom fertig gebaut, Lukas Podolski Bundespräsident, der FC zum 16. Mal Deutscher Meister. Nur die U-Bahn, die wird immer noch gebaut. Am Geburtstagstisch von Frau Annette haben ihre vier besten und (bis dahin) längst verblichenen Freunde Platz genommen: Der Talkmaster und TV-Koch Alfred Biolek, Fußballfunktionär Reiner Calmund, der Kölner Karnevalist Hans Süper und der tatsächlich verstorbene Moderator und Schauspieler Dirk Bach (1961-2012). In alle ihre Rollen schlüpft Butler Ralf.

Das "Dinner op Kölsch" ist eine der wenigen heimischen TV-Produktionen, für die sich tatsächlich der Besitz eines HD-Fernsehgerätes lohnt, denn was die Maske (Sarah Wirtz und Johanna Koch) in dreieinhalbstündiger Arbeit aus Silikon-Gel auf die Gesichter von Annette Frier und Ralf Schmitz gezaubert hat, ist wirklich täuschend echt. Im Hintergrund dudelt passenderweise die Melodie des Black-Fööss-Klassikers "Drink doch ene met". Was der Butler im Original-Dinner an alkoholischen Getränken zu sich nehmen muss (Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein), wird in der Stell-dich-nit-esu-ann-Variante erheblich verschlimmert: Schnaps, Kölsch aus dem Pittermännchen, Rhein-Wein und Eier-Likör. Für Schmitz ist das der Lustigkeits-Kern seiner Rolle: "Ein seinem Schicksal nicht entrinnen könnender Betrunkener ist herrlich zu beobachten, weil man sich ständig fragt, wie er das wohl meistern wird. Gleichzeitig weiß man schon: Er hat keine Chance." Die hat Frau Annette angesichts der an kölsche Ernährungsgewohnheiten angepassten Speisefolge allerdings auch nicht. Daneben gibt es noch ein paar nette kölsche Besonderheiten: Das Tigerfell, über dessen Kopf der Butler eifrig stolpert, ist durch das Fell des FC-Maskottchens ersetzt worden, und der Geißbock meckert bei jedem Tritt zwischen die Hörner. Zweimal muss man hinsehen, um in dem ovalen Porträt über der Geburtstagstafel von Frau Annette Lukas Podolski als alten Mann zu erkennen.

Die kölsche Umstandskrämerei hat den Sketch von 18 auf knapp über 25 Minuten verlängert. Die einzelnen Gäste gelingen Schmitz durchaus unterschiedlich, wobei der Schmitz-Calmund dem Original trotz fehlender Leibesfülle fast näher kommt als Calli sich gelegentlich selbst. Seine Küchen-inspirierten Komplimente an Frau Annette ("Du lecker Frikadelschen", "Du bess die schärfste Julaschkanone, et schärfste Messer in d'r Schublad'") sind jedenfalls so, wie man sich den Gourmand im Zustand schwerer Begeisterung vorstellt. Insgesamt gelingt Schmitz die Inszenierung deutlich besser als die Variante, die er 2008 mit Otto für RTL drehte (und aus der er beim WDR einige Dialog-Einfälle recycelt hat). Regelrecht großartig ist aber Annette Frier, die aus der reduzierten Rolle der Jubilarin – noch dazu in einem Stuhl sitzend – alles rausholt, was rauszuholen ist, bevor sie den Butler als Nach-Nachtisch zu sich nimmt, was der mit den Worten "Et hätt noch emmer joot jejange" einleitet.

Die schönsten Szenen aus der Aufzeichnung, die in diesem Frühjahr im Kölner Gloria-Theater stattfand, zeigt der WDR allerdings nicht im Fernsehen, sondern nur im Internet (und dort auch nur in Ausschnitten). Zwischenzeitlich fiel im Theater nämlich der Ton aus, Frier und Schmitz improvisierten auf der Bühne munter drauflos; das Publikum quietschte vor Vergnügen. Der Original-TV-Sketch des NDR wurde ebenfalls im Frühjahr vor 50 Jahren in einem Theater aufgezeichnet. Peter Frankenfeld verwendete ihn im Juli 1963 für seine Livesendung "Guten Abend, Peter Frankenfeld". Zum Silvester-Klassiker der ARD wurde das "Dinner" erst zehn Jahre später.

"Dinner op Kölsch", WDR-Fernsehen, Silvester, 18.25 bis 18.50 Uhr

(RP)
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