Dresdner Pegida-Skandal Schon wieder Sachsen

Berlin/Dresden · Hat der Freistaat Sachsen ein strukturelles Problem mit rechtem Gedankengut? Im Pegida-Skandal rückt die Polizei erneut in den Fokus.

 Der Mann mit dem Deutschland-Hut: Szene von der Pegida-Demonstration in Dresden am 16. August.

Der Mann mit dem Deutschland-Hut: Szene von der Pegida-Demonstration in Dresden am 16. August.

Foto: Screenshot ZDF

Der Videoausschnitt von dem Mann mit dem Deutschlandhut und der Sonnenbrille wird im Internet rasant verbreitet. Da steht er am Rande einer Versammlung der Gruppierung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) und grölt „Lügenpresse“ in Richtung von ZDF-Reportern. Als diese ihn weiter filmen, verlangt er, dass die Kamera ausgeschaltet wird und beschwert sich schließlich bei der Polizei. Die setzt das Team 45 Minuten lang fest und kontrolliert die Presseausweise. Ein Vorgang, den Medienrechtsexperten in der ZDF-Sendung „Frontal 21“ als unverhältnismäßig einschätzen.

Besonders brisant: Jetzt stellte sich heraus, dass der Mann beim Landeskriminalamt Sachsen beschäftigt ist. Nach Informationen von „Welt“ und „Spiegel“ soll Maik G. Buchprüfer für Wirtschaftskriminalität sein, Gutachten verfassen und für das LKA auch in Gerichtsprozessen auftreten. Ein Mann, der Lügenpresse schreit? Sein Arbeitgeber will nun Maik G. anhören, aus der Politik kommen bereits Forderungen nach „dienstrechtlichen Konsequenzen“, etwa von Marco Wanderwitz, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Chef der sächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag und Mitglied im Präsidium der sächsischen Christdemokraten.

Sachsen, immer wieder Sachsen. Nicht nur die Vorkommnisse rund um Kundgebungen der fremden- und islamfeindlichen Pegida-Gruppe oder der AfD haben wiederholt auch Politiker anderer Parteien sowie Institutionen des Freistaats in die rechte Ecke rücken lassen - zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

Jetzt steht wieder die Polizei im Fokus. Der Vorwurf ist nicht neu: Schon vorher wurde der Verdacht geäußert, die sächsische Polizei sei gegenüber Pegida deutlich nachsichtiger als etwa gegenüber Linksaktivisten und Flüchtlingen. Im Februar 2016 sorgte ein Video für Aufregung. Es zeigt einen Beamten, der einen jungen Asylbewerber in den Polizeigriff nimmt, weil der sich weigerte, in Clausnitz aus einem Bus auszusteigen, vor dem ein pöbelnder Mob stand. Nach Ausschreitungen zwischen 80 Rechtsextremen und 30 Flüchtlingen in Bautzen im September 2016 nannte der Polizeirevierleiter die Rechten „eventbetonte Jugendliche“, im Oktober wünscht ein Beamter den Pegida-Anhängern „einen erfolgreichen Tag“. Und im Dezember 2017 sorgte die Anschaffung eines Polizeipanzers für Aufregung, auf dessen Sitzen ein Logo der Spezialeinheit eingestickt war, das stark an Symbole aus der NS-Zeit erinnerte.

Jürgen Kasek, Ex-Landeschef der Grünen in Sachsen, sieht tiefliegendere Probleme: „Viele Menschen, besonders aus dem linken Spektrum in Sachsen, haben Angst vor der Polizei“, sagte er unserer Redaktion. Sie würden keine Strafanzeigen gegen Pegida-Anhänger oder Rechte stellen, weil sie Angst hätten, dass die Polizei ihre Daten an eben diese weitergibt. „Nicht die ganze Polizei in Sachsen sympathisiert mit den Rechten, sondern etwa 30 Prozent der Polizisten“, meint Kasek zu wissen.

Bezogen auf den Vorfall in Dresden glaubt er auch nicht an einen Einzelfall. „Journalisten in Dresden berichten immer wieder, dass sie von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert wurden“, sagte er. „Viele Journalisten fühlen sich von der Polizei bei Pegida-Demos nicht ausreichend beschützt“, sagt der Rechtsanwalt.

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) wehrt man sich gegen den Eindruck eines strukturellen Problems innerhalb der Behörde. „Ich habe keine Erkenntnisse für einen sogenannten Sachsensumpf und kein Verständnis für den Begriff ,Pegizei‘“, sagte der Vize-Bundeschef der GdP, Jörg Radek. Die Polizei sei ein Querschnitt der Gesellschaft. „Solange die AfD und Pegida nicht als klar verfassungsfeindlich eingestuft sind, darf auch ein Polizeibeschäftigter Anhänger dieser Partei und Gruppierung sein, dies jedoch, vor dem Hintergrund des Mäßigungsgebot“, sagte er.

Gleichzeitig sieht er die Äußerungen von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisch, der kurz nach dem Einsatz die Polizei gelobt und die Journalisten indirekt als nicht seriös bezeichnet hatte. Einsatzverläufe seien oft komplex. „Herr Kretschmer hätte noch etwas abwarten sollen, bis der Sachverhalt weitgehend aufgeklärt wurde“, sagte er und bezeichnete den Einsatz als „weniger geglückt“. Kretschmer selbst versprach Aufklärung, der politische Druck auf ihn aber wächst.

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