Riad/Düsseldorf Saudi-Arabiens neuer König ist schon 79

Riad/Düsseldorf · Nach dem Tod von König Abdullah wird dessen Halbbruder Prinz Salman Chef des Herrscherhauses in dem streng religiösen Wüstenstaat. Der neue Monarch muss drängende innen- und außenpolitische Probleme lösen.

Saudi-Arabien ist kein Land, das unliebsame Überraschungen schätzt. Daher ist politische Kontinuität an der Spitze des islamischen arabischen Königreichs auch Teil einer diktatorischen Staatsräson. Nachfolgeregelungen und Personalentscheidungen werden nicht debattiert und hinterfragt, schon gar nicht vom Volk. Sie werden angeordnet und hingenommen. So war es früher, und so wird es heute praktiziert. Und wer dagegen verstößt, der begeht Verrat in dem streng islamischen Staat wahabitischer Prägung und muss mit dem Tod rechnen.

Kurz nach der Meldung am Morgen vom Tod des bisherigen Herrschers König Abdullah bin Abdulaziz al Saud (91) wurde gestern am Königshof in Riad dessen Halbbruder Prinz Salman bin Abdulaziz (79) zum neuen König ernannt. Geräuschloser kann ein Thronwechsel kaum ablaufen.

Der Amerika-Freund Abdullah, der an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben war, galt als gutmütiger Patriarch. Er hatte im August 2005 den Thron von seinem Halbbruder Fahd übernommen, nachdem er zehn Jahre lang im Namen Fahds nach dessen Schlaganfall die Geschäfte geführt hatte. Abdullah war einer der letzten Söhne des Dynastie-Gründers Ibn Saud, der seine Herrschaft auf den Anspruch gegründet hatte, Wächter der islamischen Heiligtümer Mekka und Medina zu sein. 45 Söhne hatte er gezeugt. Einer von ihnen stand immer an der Spitze des Reiches. Wer auf den Thron nachrückte, war nicht abschließend geregelt. An den Höfen Europas war es in der Regel der älteste männliche Abkömmling, dem die Aufgabe zufiel. Bei den Saudis wurde auch der nächstältere Bruder des Königs mit der Würde betraut, er musste aber von den übrigen auch als qualifiziert angesehen werden. Vor Jahren schon hatte der gestern gestorbene Abdullah Salman als Nachfolger benannt, nachdem zwei ältere Brüder und Kronprinzen innerhalb eines Jahres gestorben waren. Prinz Muqrin (69), der jüngste Sohn des Staatsgründers, war im vergangenen Frühjahr von Abdullah auf Platz zwei der Thronfolge gesetzt worden. Gerüchte kursierten, Salman sei nach einem Schlaganfall krank und könne den Thron nicht besteigen. Er war früher Verteidigungsminister und auch stellvertretender Ministerpräsident. Von 1962 bis 2010 war er Gouverneur von Riad.

Der Machtwechsel trifft Saudi-Arabien in politisch schwieriger Zeit: Das feudalistisch regierte Land wird von außen bedroht. Islamistische Extremisten wollen den Führungsclan stürzen. Allen voran die Extremisten des "Islamischen Staates" (IS), die dem Königshaus die Führungsrolle in der sunnitischen Welt streitig machen wollen. Der IS vertritt einen extrem konservativen Islam und sieht sich als Hüter der reinen Lehre. Die Saudis sind für ihn korrupt und dekadent.

Der Einflussbereich des IS ist bis an die Grenzen Saudi-Arabiens vorgerückt. Der mehrheitlich von den Schiiten bevölkerte Irak ist instabil. Der Jemen im Süden steht vor dem Zusammenbruch. Syrien ist Kriegsgebiet, der Nahe Osten kommt einer Friedenslösung nicht näher. Saudi-Arabien will verhindern, dass der schiitische Gottesstaat am Golf die Vorherrschaft übernimmt. Iran ist ein islamischer, aber kein arabischer Staat. Sollte sich der Atomstreit des Westens mit Iran nicht bald beilegen lassen, könnte auch Saudi-Arabien atomare Ambitionen entwickeln, um sich nicht der iranischen Knute beugen zu müssen.

Der tote König galt als fromm und sittenstreng. Trotzdem setzte er 2009 die Gründung der König-Abdullah-Universität durch, an der Frauen und Männer gemeinsam studieren konnten. 2009 waren weniger als 55 000 Frauen berufstätig, heute sind es mehr als 400 000. Im Jahr 2013 ernannte er erstmals Frauen zu Mitgliedern des Schura-Rates (einer Art Volksvertretung ohne Gesetzgebungskompetenz). Doch all diese kleinen Zugeständnisse täuschen nicht darüber hinweg, dass in dem Land, in dem der Koran Verfassungsrang hat, Frauen benachteiligt werden. Die Sittenpolizei wacht darüber, dass die Geschlechter in Restaurants und an anderen öffentlichen Orten getrennt bleiben. Der neue König muss mit den konservativen Klerikern einen Weg finden, Saudi-Arabien vom durch Traditionen geprägten Wüstenstaat in eine moderne Gesellschaft zu führen.

Islamischer Sitte folgend, wurde Abdullah schnell beerdigt - bereits gestern wurde er in einem nicht markierten Grab beigesetzt. Heute Abend soll es eine offizielle Trauerfeier geben. Dabei wird auf Bitten von Bundeskanzlerin Angela Merkel Altbundespräsident Christian Wulff Deutschland vertreten. Das sagte eine Regierungssprecherin. Zu den Gründen für diese Entscheidung äußerte sie sich nicht.

(RP)
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