Anschlagserie in Kambodscha Säure ins Gesicht geschüttet

Phnom Penh (dpa) - Es sollte einer schönsten Tage im Leben von Kim Ly und Chan Davy werden. Stattdessen endete er im Horror. Die Verlobungsfeier des Paares in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh hatte gerade begonnen, als zwei Männer das Restaurant stürmten und beiden Batteriesäure ins Gesicht schütten. Die jungen Leute erleiden unvorstellbare Schmerzen.

Ärzte gehen davon aus, dass der 26-Jährige und seine 22-jährige Freundin zeitlebens entstellt sein werden - grausamer Höhepunkt einer Anschlagsserie mit Säure in der asiatischen Millionenstadt. Und die Polizei muss hilflos zuschauen. Mehr als ein Dutzend Fälle registrierten die Behörden seit November, vermutlich sind es deutlich mehr.

"Das kommt inzwischen so oft vor, dass wir den Überblick verloren haben", sagt Polizeisprecher Pol Pthey. "Begonnen hatte alles schon 1997, aber damals hat sich niemand um die Opfer geschert. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es aber immer mehr Fälle", berichtet Khim Bunnak, Polizeireporter des Lokalblatts Koh Santephaep. Das hat seinen Grund: Seit damals ein Säureanschlag eine bekannte Karaoke-Sängerin traf und landesweit Schlagzeilen machte, sind Nachahmungstäter nicht aufzuhalten.

"Diese Art, jemanden zu verletzen, ist sehr in Mode gekommen", sagt die Chefin des kambodschanischen Zentrums für Sozialentwicklung, Chea Vannath. "Das Ziel ist stets, die Schönheit eines Menschen zu vernichten" Die Behörden sind machtlos: "Meistens stecken hinter diesen Anschlägen irgendwelche Liebesgeschichten", weiß der Sprecher des Innenministeriums in Phnom Penh, Khieu Sopheak. "Da kann man kaum gegen angehen. Wir können schließlich nicht die Gedanken und Gefühle der Täter kontrollieren", fügt er resignierend hinzu. Zunächst versuchten die Behörden, die Anschlagsserie mit einem landesweiten Verkaufsverbot von Salpetersäure einzudämmen.

Doch die Täter waren schlauer und schwenkten auf Batteriesäure um, deren Umlauf weit schwerer zu überwachen ist. Brutale Attacken aus Liebesfrust sind nicht neu in Kambodscha. Vor zwei Jahren erlebte die Hauptstadt eine Serie von Handgranaten- Anschlägen verprellter Liebhaber auf ihre Rivalen. Dutzende Menschen starben dabei, bis die Behörden im vergangenen Jahr den freien Verkauf von Pistolen, Gewehren und Handgranaten unterbanden. Seitdem habe Säure den Platz von Feuerwaffen und Sprengsätzen eingenommen, stellt Sozialzentrums-Chefin Chea Vannath fest. Doch die Gründe für die nackte Gewalt sitzen ihrer Ansicht nach tiefer - nämlich im gnadenlosen Regime der Roten Khmer von 1975 bis 1979.

Während der Herrschaft der "Steinzeitkommunisten" unter Pol Pot sollen bis zu zwei Millionen Menschen umgekommen sein. "Es ist ein Teufelskreis: Die Opfer werden nun zu Tätern." Kim Ly und Chan Davy, die jüngsten Opfer der Anschlagsserie, werden noch eine Weile im Krankenhaus verbringen müssen. Fast die Hälfte des Gesichts des 22-jährigen Davy ist verätzt. Die Ärzte konnten immerhin ihr Augenlicht retten, aber die Lippen sind so schwer verbrannt, dass Essen zur Höllenqual wird. "Ich weiß nicht, wer uns das angetan hat", sagt der 26-jährige Kim Ly. "Sicher ist nur, dass wir auf jeden Fall heiraten werden."

(RPO Archiv)
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