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Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln Woelki stellt Weihbischof und Domkapitular frei - Kardinal Meisner schwer belastet

Köln · Das lang erwartete Gutachten zum Missbrauchskandal im Erzbistum Köln wurde heute in einer Pressekonferenz vorgestellt. 800 Seiten belasten und entlasten Kirchenoberhäupter gleichermaßen. Kardinal Woelki zog direkte Konsequenzen und suspendierte zwei Mitarbeiter.

Erzbistum Köln: Anwalt stellt Missbrauchsgutachten vor
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Anwälte stellen Missbrauchsgutachten vor

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Foto: dpa/Ina Fassbender

Unmittelbar nach der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum Köln hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden.

Das am Donnerstag in Köln vorgestellte Gutachten belastet auch den Hamburger Erzbischof Stefan Heße (54) sowie den früheren Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff (81). Ihnen sowie den bereits verstorbenen Erzbischöfen Joseph Höffner (1906-1987) und Joachim Meisner (1933-2017) attestiert die Anwaltskanzlei Gercke & Wollschläger in ihrer Untersuchung jeweils zahlreiche Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen - gemessen am staatlichen und kirchlichen Recht sowie am kirchlichen Selbstverständnis.

Den amtierenden Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki (64) treffen laut der Untersuchung keine Vorwürfe. Ihm war angelastet worden, 2015 den Fall eines befreundeten Pfarrers, der in den 1970er Jahren ein Kindergartenkind missbraucht haben soll, pflichtwidrig nicht an den Vatikan gemeldet zu haben. Nach Ansicht der Gutachter hat jedoch 2015 keine Meldepflicht bestanden, weil der Beschuldigte damals verhandlungsunfähig war und nicht bestraft hätte werden können. Das Erzbistum Köln hatte zuvor bereits erklärt, der Priester habe wegen einer Demenzerkrankung nicht mehr vernommen werden können.

In keinem einzigen Fall attestieren die Gutachter den Verantwortlichen Strafvereitelung im strafrechtlichen Sinn. Gercke hat - laut Aktenlage - 75 Pflichtverletzungen von acht lebenden und verstorbenen Verantwortlichen von 1975 bis 2018 ausgemacht. Acht Pflichtverletzungen von Erzbischof Joseph Höffner habe es gegeben, 24 von Erzbischof Meisner - ein Drittel aller Pflichtverletzungen. 13 Pflichtverletzungen seien bei dem ehemaligen Generalvikar Norbert Feldhoff festgestellt worden und acht bei Weihbischof Dominik Schwaderlapp. Schwer beschuldigt wurde auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße: Er habe elf Pflichtverletzungen begangen.

Als Konsequenz aus dem Gutachten zog auch Weihbischof Dominikus Schwaderlapp unmittelbar Konsequenzen und bot dem Papst seinen Amtsverzicht an. Das teilte der Geistliche am Donnerstag in einer Stellungnahme in Köln mit, kurz nach der Vorstellung des Gutachtens. „Ich bitte Papst Franziskus um sein Urteil“, schrieb er darin. „Ich kann nicht Richter in eigener Sache sein.“ Bereits zuvor habe er seinen Vorgesetzten, den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, über diesen Schritt informiert und ihn gebeten, ihn bis zu einer Entscheidung aus Rom von seinen bischöflichen Aufgaben freizustellen. Eben das hatte Woelki unmittelbar nach der Präsentation des Gutachtens getan.

Schwaderlapp zeigte sich schuldbewusst. Es beschäme ihn, „zu wenig beachtet zu haben, wie verletzte Menschen empfinden, was sie brauchen und wie ihnen die Kirche begegnen muss“. Als Bischof, Priester und Mensch erkenne er seine Fehler an. „Die Menschen, denen ich nicht gerecht wurde, bitte ich an dieser Stelle aufrichtig um Verzeihung, auch wenn ich weiß, dass Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden kann.“

Gercke und die Co-Autorin der Studie, Kerstin Stirner, bescheinigten den Verantwortlichen eine große Rechtsunkenntnis und eine desaströse Aktenlage. Wenn Vorschriften geheim seien, sei Rechtsunkenntnis die logische Folge. Der Schutz der Institution Kirche habe im Vordergrund gestanden. Bei Verfehlungen von Laien habe es dagegen kein Fehlverhalten gegeben; es habe rasche Kündigungen gegeben. Woelki sagte dazu, er sei beschämt über diese Erkenntnis.

Die Juristen machten dem Erzbistum zahlreiche Verbesserungsvorschläge. So solle unter anderem die Aktenführung professionalisiert und der Zugriff auf Dokumente beschränkt werden, erklärte Gercke. Zudem sollten die Interventionsstelle im Erzbistum und das Kirchengericht voneinander getrennt und auch die Opfernachbetreuung als eigenständige Aufgabe angesehen werden. Die Rechtsexperten schlugen zudem eine neu zu schaffende Stelle vor, die überwachen soll, ob sich beschuldigte Priester an ihre Auflagen halten.

Das Gutachten hatte Kardinal Woelki erst im Oktober vergangenen Jahres in Auftrag gegeben. Es handelt sich um die zweite Ausarbeitung für das Erzbistum - ein erstes Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wurde zunächst nicht wie vorgesehen veröffentlicht, weil Woelki es für mangelhaft hält. Kritiker warfen ihm deshalb mangelnden Aufklärungswillen vor.

Für das aktuelle Gutachten wurden nach Angaben der Kanzlei der Zeitraum zwischen 1975 und 2018 untersucht. Es gab Übergriffe und Grenzverletzungen von insgesamt 202 Beschuldigten, davon knapp zwei Drittel Kleriker. Die Zahl der Opfer beläuft sich auf 314, darunter 178 männliche und 119 weibliche. Bei 17 Opfern gab es keine Angabe zum Geschlecht.

Das komplette Gutachten soll gegen 13.00 Uhr auf der Internetseite des Erzbistums Köln veröffentlicht werden, nachdem zunächst der Betroffenenbeirat Einsicht erhalten hat. Ab dem 25. März sollen Betroffene, Journalisten und weitere Interessierte Möglichkeit zur Lektüre des WSW-Gutachtens bekommen.

(mja/june/epd/kna)
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