Synodaler Weg fordert Reformen Harsche Kritik an kirchlicher Sexualmoral

Frankfurt · Die bisherige Sexuallehre der Kirche funktioniere nur durch Verbote und habe den Missbrauch begünstigt, so die Synodalversammlung. Was allein zählen soll, sei die Liebe – ohne jede Diskriminierung von Menschen.

 Die Reforminitiative „Maria 2.0“ demonstriert am Rande der Zweiten Synodalversammlung der katholischen Kirche vor dem Frankfurter Congress Center.

Die Reforminitiative „Maria 2.0“ demonstriert am Rande der Zweiten Synodalversammlung der katholischen Kirche vor dem Frankfurter Congress Center.

Foto: dpa/Arne Dedert

Wer mit katholischer Glaubenspraxis und katechetischer Unterweisung nicht weiter vertraut ist, dürfte Bauklötze staunen über das, was da auf der Synodalversammlung in Frankfurt als Meilenstein und Sternstunde gepriesen wurde. Auch das ist ein Gradmesser für die riesige Distanz und Diskrepanz, die offenkundig ist zwischen kirchlicher Sexualmoral und der Lebenswirklichkeit der Menschen. Dass Sexualität nur in der Ehe gelebt und auf Zeugung ausgelegt sein soll, wird vielen Menschen wie eine Nachricht aus dem 19. Jahrhundert erscheinen. In der Sprache des Synodalen Wegs heißt das: Ein Grundproblem der noch gültigen kirchlicher Sexuallehre sei „ihre tiefe Umstrittenheit“.

Der Bochumer Theologe Thomas Söding erinnerte an die „unglaubliche Verschärfung der Sexualmoral seit dem 19. Jahrhundert“; mit vielen Verboten, die eine große Explosionskraft entwickelt haben. „Wer so Ethik betreiben will, erreicht das Gegenteil“, so Söding. Das spiegelt sich in der Wahrnehmung auch vieler Gläubiger wider, die in dieser restriktiven Sexualmoral vor allem ein Instrument sehen, um „subtile oder offensichtliche Macht über die Lebensführung der Menschen auszuüben“, wie es in der Präambel des Forums heißt, das sich beim Synodalen Weg der Liebe in Sexualität und Partnerschaft gewidmet hat.

Wie aber kann eine „Neuakzentuierung“ kirchlicher Sexuallehre aussehen, gar möglich werden? Das wird von den Verfassern des Grundtextes zunächst einmal kurz und bündig so beantwortet: Der Weg zu einer gelingenden Beziehung sei allein die Liebe. Sie ist das christliche Primat. Das ist der Raum, der größtmögliche Freiheit bietet. Wenn nämlich gelebte Sexualität – gleich welcher Art – Ausdruck der Identität eines jeden Menschen ist, so kann es keine Beurteilung mehr darüber geben, was richtig und was falsch, was unchristlich und was vermeintlich sündig ist.

Es soll also um die Selbstgewissheit der eigenen sexuellen Identität gehen; sie allein verspricht auch persönliches Lebensglück. Konkret heißt das: Sexualität ist ein Geschenk Gottes auch außerhalb der Ehe, der  Geschlechtsakt ist nicht an die Absicht der Fortpflanzung gebunden, außerdem sei eine homosexuelle Orientierung keine sogenannte Anomalie: „Unbestritten ist die gleiche Würde homosexueller Menschen, da alle Menschen als Ebenbild Gottes geschaffen wurden“, heißt es. Und darin gründet sich für die Kirche das „Verbot jeglicher Diskriminierung“.

Für die Synodalen ist das nicht nur ein Versuch, den Menschen gerecht zu werden. Es ist auch das Bemühen, begangene Schuld aufzuarbeiten. Denn mit der Missachtung von Intimsphäre und Gewissensentscheidungen von Menschen habe die alte kirchliche  Sexualethik sexuellen Missbrauch in der Kirche und durch Vertreter der Kirche zumindest begünstigt. Diesem Eingeständnis sollen Taten folgen. Doch allzu optimistisch dürfte man - trotz großer Zustimmung der Synodalen – nicht sein, dass eine neue Sexuallehre weltkirchlich diskutiert und Wirklichkeit wird. Denn mit der Ehe in ihrem sakramentalen Verständnis steht eine Hürde im Zentrum kirchlichr Lehre, die auf absehbare Zeit nicht zu überwinden sein wird.

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