Debatte um Umgang mit Missbrauchsvorwürfen Papst Franziskus lehnt Rücktritt von Kardinal Marx ab

Rom · Papst Franziskus hat den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, abgelehnt. Das schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem vom Heiligen Stuhl am Donnerstag veröffentlichten Brief.

 Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, gibt im Innenhof seiner Residenz ein Statement ab (Archivbild).

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, gibt im Innenhof seiner Residenz ein Statement ab (Archivbild).

Foto: dpa/Peter Kneffel

Papst Franziskus hat den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, abgelehnt. „Und genau das ist meine Antwort, lieber Bruder. Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising“, schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem Brief an Kardinal Marx, den der Heilige Stuhl am Donnerstag veröffentlichte. Marx hatte am 4. Juni ein Schreiben veröffentlicht, in dem er von einem „toten Punkt“ in der katholischen Kirche sprach.

„Ich stimme Dir zu, dass wir es mit einer Katastrophe zu tun haben: der traurigen Geschichte des sexuellen Missbrauchs und der Weise, wie die Kirche damit bis vor Kurzem umgegangen ist“, hieß es in Franziskus' Schreiben weiter.

Die schnelle Antwort aus Rom auf das Rücktrittsgesuch hat auch im Erzbistum München und Freising für Überraschung gesorgt. Marx werde sich voraussichtlich im Laufe des Tages aktuell dazu äußern, sagte sein Sprecher. Wann und wie genau, sei aber noch nicht klar.

Der 67 Jahre alte Marx hatte am 21. Mai in einem Brief an Papst Franziskus seinen Amtsverzicht angeboten. Franziskus sollte demnach über „seine weitere Verwendung“ entscheiden.

Das Ersuchen Marx' hatte in der katholischen Kirche für großes Aufsehen gesorgt. Marx ist vielen Menschen bekannt. Mit seinem Amt hatte er wohl schon länger gehadert. Mit dem Verzicht könne vielleicht ein persönliches Zeichen gesetzt werden für neue Anfänge, für einen neuen Aufbruch der Kirche, so Marx.

„Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“, schrieb Marx dem Papst. Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es „viel persönliches Versagen und administrative Fehler“ gegeben habe, aber „eben auch institutionelles oder systemisches Versagen“.

Für seinen Schritt erhielt Marx von vielen in der katholischen Kirche Anerkennung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, zeigte Verständnis für die Entscheidung. Marx habe „Wegweisendes für die Kirche in Deutschland und weltweit geleistet“, hieß es damals. Er bedauerte aber mit Blick auf die Rolle Marx' in der DBK seine Entscheidung zu diesem Schritt.

Auch Verbände, die sonst kritisch mit der katholischen Kirche umgehen, lobten das Rücktrittsangebot. Der Initiative von Missbrauchsopfern „Eckiger Tisch“ zufolge macht es den Weg frei für einen Neuanfang. „Es ist ein beeindruckender Schritt, dass endlich ein Bischof in Deutschland in der Ich-Form spricht und Verantwortung übernimmt.“

Die Entscheidung von Papst Franziskus, das Rücktrittsangebot nicht anzunehmen, stößt bei Thomas Sternberg auf Zustimmung. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sagte unserer Redaktion: „Ich bin – nicht zuletzt mit dem Blick auf den Synodalen Weg - froh, dass Kardinal Marx uns als starke Stimme erhalten bleibt“. Die Entscheidung aus Rom zeige, „dass die angebliche Unzufriedenheit über den Synodalen Weg in Deutschland der vielschichtigen Realität nicht entspricht", sagte Sternberg. „Die Reaktionen auf sein Rücktrittsangebot haben gezeigt, dass er ein sehr hohes Ansehen genießt und man den Ernst, wie er mit der extrem schwierigen Lage der katholischen Kirche in Deutschland umgeht, sehr gewürdigt hat." 

Marx ist einer der bekanntesten Bischöfe Deutschlands und war bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In der Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, dem „Synodalen Weg“ hatte er sich zuletzt als reformfreudig hervorgetan.

Für diesen Sommer wird ein Gutachten über Fälle von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising erwartet, das vor allem herausarbeiten soll, wie sexueller Missbrauch von Priestern im Bistum möglich wurde und ob hochrangige Geistliche Täter schützten.

(felt/dpa)
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