Sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche Kanzlei kritisiert Kölner Missbrauchsgutachten scharf

Dem jüngst veröffentlichten Missbrauchsgutachten des Strafrechtlers Björn Gercke fehle jede moralischen Bewertung, kritisiert die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Sie war zunächst vom Erzbistum beauftragt worden.

 Der Münchner Rechtsanwalt Ulrich Wastl.  Foto: privat

Der Münchner Rechtsanwalt Ulrich Wastl. Foto: privat

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Scharfe Kritik äußert die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) am jüngst veröffentlichten Kölner Missbrauchsgutachten. Die Kanzlei um Strafrechtler Björn Gercke habe es versäumt, die Akten des Erzbistums   auch unter moralischen Gesichtspunkten zu sichten und Urteile über die Verantwortlichen der Bistumsleitung zu fällen – insbesondere unter dem Gesichtspunkt des „kirchlichen Selbstverständnisses“. Die Münchner Kanzlei war 2018 vom Erzbistum beauftragt worden, ein umfassendes Gutachten über das Versagen der Bistumsleitung bei Fällen von sexualisierter Gewalt zu erstellen. Dieses Erstgutachten hatte das Bistum dann vor einem Jahr unter anderem wegen methodischer Mängel zurückgezogen und  seitdem unter Verschluss gehalten. Am Donnerstag soll es zumindest zur Einsicht im Kölner Maternushaus ausliegen.

Wie WSW betont, habe es damals zu ihrem Gutachtenauftrag gehört, nicht nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle durchzuführen, sondern auch eine sogenannte Angemessenheitsprüfung. Auch die anschließend beauftragte Kanzlei Gercke Wollschläger habe, so der Rechtsanwalt Ulrich Wastl, „den exakt gleichen Auftrag gehabt“ – habe  diesen mit ihrem  Gutachten aber nicht erfüllt. Diese „sachwidrige Selbstbeschränkung der Zweitgutachter auf eine reine Rechtmäßigkeitsprüfung“ führe dazu, dass eine „Beurteilung des Verhaltens der Verantwortlichen des Erzbistums Köln“ unter moralischen Gesichtspunkten nicht „ausreichend berücksichtig“ wurde. Dabei gehöre gerade der „umfassende Schutz von Schwachen und Schutzlosen und namentlich von Minderjährigen seit jeher zum Kernbestand des kirchlichen Selbstverständnisses“. In der kirchenrechtlichen Beurteilung der Verantwortungsträger kommen zwar auch die Münchner im Wesentlichen zu keinem anderen Ergebnis als die Zweitgutachter. Allerdings sei das Verhalten der Personalverantwortlichen aus ihrer Sicht „nicht mit der gebotenen kritischen gutachterlichen Sichtweise bewertet“.

Darüber hinaus bemängeln die Münchner Anwälte, dass „die Beschreibung systemischer Defizite im Erzbistum Köln“ keine Erwähnung findet und dadurch auch Empfehlungen, die darauf aufbauen. Gerade das wird diskutiert nach Veröffentlichung des Gercke Gutachtens, das die Sexualmoral der katholischen Kirche, die hierarchischen Machtstrukturen wie auch das priesterliche Bild weder erwähnt noch als Faktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigen, anführt.

Kritik üben die Münchner Anwälte grundsätzlich am Erzbistum: Der Veröffentlichung ihres Gutachtens würden „keine durchgreifenden äußerungsrechtlichen Einwendungen entgegenstehen“ – wie es vom Erzbistum als Grund für die Nichtveröffentlichung angeführt worden war. Nach wie vor sei man daher „jederzeit gerne bereit, unser vollständiges Gutachten auf unserer Website zu veröffentlichen“. Anders als das Erzbistum spreche nach Ansicht von Ulrich Wastl auch nichts gegen Zitate aus ihrem Gutachten. Darüber hinaus sei die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl von den „Verantwortlichen des Erzbistums zu keinem Zeitpunkt in die Entscheidung über die nunmehr konkret angedachte Möglichkeit der restriktiven Einsichtnahme in unser Gutachten vor Ort in Köln eingebunden“.

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