Kolumne „Gott und die Welt“ Eine Ordensfrau als Vorbild

Köln · Von Teresa von Ávila können wir auch heute viel über den Umgang mit Gott lernen. Für sie ist Gott keine ferne Macht. Für das Gebet braucht es kein Regelwerk.

Vielleicht kennen Sie die alte Bauernregel: „Zu Teres‘ beginnt die Weinles.“ Gemeint ist Teresa von Ávila. Katholiken in aller Welt gedenken der Heiligen am 15. Oktober. Wer aber war Teresa von Ávila, die vor 500 Jahren in Spanien lebte – und vor allem: Was können wir von dieser Frau heute noch lernen?

Als Teresa 1515 geboren wurde, war die „Neue Welt“ erst wenige Jahre bekannt, der Buchdruck noch jung und die Reformationszeit stand unmittelbar bevor. Auch wir befinden uns heute in Zeiten epochaler Veränderung: Die Digitalisierung verändert die Welt und unser Leben bis in den letzten Winkel und der medizinisch-technische Fortschritt wirft immer neue ethische Fragen auf.

Teresa tritt in den Orden der Karmelitinnen ein – und hadert mit seinen strengen Regeln. Für Teresa ist Gott keine ferne Macht. Vielmehr offenbart er sich in seinem Sohn Jesus als Mensch. Teresa von Ávila zeigt, dass es im Glauben um nichts mehr und nichts weniger als um die unmittelbare Begegnung mit Christus, sich selbst und anderen Menschen geht. Der Weg dazu ist das Gebet. Und das soll revolutionär sein? Ja, das ist es – damals wie heute. Und es hilft Menschen mitten in der Welt dabei, Gott zu finden.

Vielleicht sind Sie skeptisch, ob eine Karmelitin, die 1582 starb, uns heute wirklich noch Vorbild sein kann. Ich meine, sie ist eine echte Wegweiserin: Sie zeigt, wie leicht es ist, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Dazu braucht es kein großartiges Regelwerk, schon gar keine Äußerlichkeiten. Es reicht eine kleine Gruppe von Menschen, in deren Gegenwart wir unserer inneren Zwiesprache mit Gott eine äußere Gestalt geben. Teresa nannte diese kleinen Gemeinschaften schlicht Gotteswinkel. Sie sind Herzkammern des Glaubens – bis heute.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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