Missbrauchsaufklärung im Erzbistum Köln Kardinal Woelki knüpft an Visitation hohe Erwartung

Köln · In Videobotschaften deutet der Erzbischof den bevorstehenden Besuch päpstlicher Kontrolleure als Chance für Köln. Medienberichten zufolge tauscht Woelki zudem die Leitung des Bonner Priesterseminars aus.

 Kardinal Woelki geht durch ein Spalier aus Gemeindemitgliedern, die ihm vor der Kirche St. Maria vom Frieden die Rote Karte zeigen. 

Kardinal Woelki geht durch ein Spalier aus Gemeindemitgliedern, die ihm vor der Kirche St. Maria vom Frieden die Rote Karte zeigen. 

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Nicht nur für kirchliche Verhältnisse ist das schnell gegangen: Nachdem am vergangenen Freitag Papst Franziskus eine offizielle Überprüfung für das Erzbistum Köln angekündigt hatte, werden die beiden Apostolischen Visitatoren schon in der kommenden Woche in der Domstadt erwartet. Wie die Arbeit der Bischöfe von Stockholm und Rotterdam, Anders Arborelius und Johannes van den Hende, genau aussehen wird, ist noch unklar. Obwohl die Visitatoren mit päpstlichen Vollmachten ausgestattet sind, wird Kardinal Rainer Maria Woelki seine Arbeit wie gewohnt verrichten. Fest steht zunächst nur, dass Arborelius und van den Hende im Maternushaus untergebracht sind, direkt gegenüber dem erzbischöflichen Haus. Erwartet wird, dass sie etwa zwei Wochen im Bistum tätig sein werden.

Die Unsicherheit und Deutungsvielfalt sind groß, was die Visitation zu bedeuten hat. Auftrag der beiden Bischöfe wird sein, den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Diözese und mögliche Fehler auch der Bistumsleitung zu untersuchen. Ist das ein deutliches Misstrauensvotum aus Rom zur bisherigen Aufklärungsarbeit in Köln? Oder doch eine Chance, wie der Erzbischof und sein Generalvikar, Markus Hofmann, die Visitation verstehen? In Videobotschaften meldeten sich am Wochenende beide zu Wort; zudem gab es ein „Proklamandum“ (eine Bekanntmachung), das der Kardinal am Sonntag in den Gemeinden verlesen ließ.

Er sei „froh“, betonte Woelki, dass beide Visitatoren sich vor Ort einen Eindruck verschaffen können, und knüpfe „hohe Erwartungen“ an den Besuch. Nach seinen Worten werde ihm immer mehr bewusst, was die Aufarbeitung von Schuld alles auslöse und wie sie die Perspektive verdrehen könne. Wer, so Woelki, rede derzeit noch über die Täter und die Betroffenen? Darum sei alles, was der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und der Bewältigung der komplexen Situation diene, gut. Zugleich betonte der Kardinal, dass man „noch am Anfang der Aufar­beitung steht, und schon gibt es Gräben, die scheinbar immer tiefer werden“. Für ihn sei das ein „Gift der Polarisierung“ und ein Gegeneinander, das Christen überwinden müssten. Zu seiner eigenen Rolle deutete er an: „Wer auch immer sich an das Feld der Aufarbeitung heranmacht, tritt allen auf die Füße, auch sich selbst.“

Einen möglichen ersten Termin gibt es für die Visitatoren aus Schweden und den Niederlanden auch schon. Der Diözesanrat, der zuletzt immer wieder auf kritische Distanz zum Kardinal gegangen war, lud beide zur seiner Vollversammlung am 16. Juni ein. Nach den Worten von Tim Kurzbach, dem Vorsitzenden des Diözesanrats, unterstreicht die päpstliche Anordnung der Visitation, „dass auch in Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist“.

Unterdessen wurde bekannt, dass nach einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“ Kardinal Woelki die komplette Leitung des Priesterseminars in Bonn austauschen wird. Demnach soll der bisherige Leiter, Pater Romano Christen, durch Pfarrer Regamy Thillainathan ersetzt werden. Dieser leitet derzeit die Diözesanstelle „Berufe der Kirche“. Pater Christen hatte im Mai 2019 Empörung ausgelöst, als er in einer Rede Homosexualität als heilbaren psychischen Defekt bewertete.

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