Kein Kirchbesuch wegen Corona So gelingt die Andacht unterm heimischen Weihnachtsbaum

Düsseldorf · Der traditionelle Weihnachtsgottesdienst muss dieses Jahr vielerorts ausfallen. Aber die frohe Botschaft von der Geburt Christi kann sich auch im kleinen Kreis zu Hause entfalten.

 Wünsche zu Weihnachten können in ein Gebet vor dem Tannenbaum einfließen.

Wünsche zu Weihnachten können in ein Gebet vor dem Tannenbaum einfließen.

Foto: dpa/Martin Schutt

Es begab sich also zu der Zeit, als die Furcht vor dem Virus umging im ganzen Land. Und weil die Ansteckungsgefahr groß war, blieben an Heiligabend viele zu Hause – und beteten dort…“ So oder so ähnlich könnte es dereinst in fast schon biblischer Sprache in den Kirchenbüchern vermerkt sein, wenn vom 24. Dezember im Corona-Jahr 2020 berichtet wird. Die traditionelle Form des Weihnachtsfestes – mit drangvoller Enge in überfüllten Kirchen, mit Trompetenklang und Chorgesang – wird es diesmal nicht geben. Die zugelassene Zahl der Gottesdienstbesucher ist verschwindend klein, der Weg zur Krippe scheint verstellt.

Einen Ausweg zeigen progressive Pfarrer wie der frühere Regionaldekan Ulrich Clancett aus Jüchen bei Mönchengladbach auf, die sich zurücknehmen und mündigen Gläubigen „die Regie überlassen“. Daheim mit der Familie oder mit den Nachbarn von nebenan und gegenüber soll am Abend Andacht gehalten werden: Im Wohnzimmer, auf der Straße, im kleinen Kreis. Die Richtung weist ein Faltblatt, das die evangelische und die katholische Kirche in seltener ökumenischer Eintracht veröffentlicht haben: Fürchtet euch nicht! Die Handreichung „Gott bei euch!“ berichtet von den Engeln, der frohen Botschaft, fordert zum „Hosianna“ auf und macht Mut: „Gott ist bei uns in Freude und Hoffnung, genauso aber auch in Angst und Not.“ Empfohlen wird, zu Beginn als Zeichen der Hoffnung Kerzen zu entzünden: Licht im Dunkel!

Die vorgeschlagene Liturgie ist auf Familien und kleine Gemeinschaften ausgerichtet und greift die traditionellen Elemente der Advents- und Weihnachtszeit auf. Neben den von EKD und Bischofskonferenz veröffentlichten und auch digital abrufbaren Texten und Liedern (gottbeieuch.de) gibt es gerade bei den evangelischen Kirchen vielfältige weitere Hinweise für die Gestaltung einer weihnachtlichen Hausfeier. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland betont den Kern des Weihnachtsfestes, wenn er zur Andacht aufruft: „In diesem Jahr feiern wir das Christfest vielleicht anders als gewohnt. Aber die gute Botschaft des Weihnachtsengels damals und heute gilt: Fürchtet euch nicht. Gott ist bei euch!“

Der katholische Pfarrer Ulrich Clancett hofft derweil, dass kräftig gesungen wird: „O du fröhliche“. Er lässt an Heiligabend die Kirche öffnen, bietet aber keinen Gottesdienst an. Auf seine Initiative hin gibt es in Jüchen am 24. Dezember lediglich in zwei von 13 katholischen und evangelischen Gotteshäusern Feiern. Dafür aber sollen überall in der Stadt kleine Lichter leuchten, sollen sich Nachbarn und Freunde versammeln und beten. Zwar gibt es auch hier ein umfängliches Faltblatt mit Liedern und Gebeten (gdg-juechen.de), aber letztlich ist jeder frei, „seinen Glauben kreativ zu leben“. Clancett ist davon überzeugt: „Das Kind in der Krippe traut uns so etwas zu.“ Er möchte seine Christen emanzipieren und sieht darin auch eine Chance für die Zukunft der Kirche nach Corona: „Wer nur aus Routine gekommen ist, hat sich längst anders orientiert und bleibt vermutlich nach der Pandemie weg“, prophezeit er. Deshalb setzt der Pfarrer, der lange Zeit als Regionaldekan in Mönchengladbach auch im Auftrag des Bischofs wirkte, auf eine Kernaussage des Glaubens „Du bist nicht allein“. Dieses stärkende Gefühl der Geborgenheit in einer großen Gemeinschaft soll seine gleichnamige Initiative zu Heiligabend vermitteln: Selbst für den vermeintlich Einsamen sei die Erkenntnis stärkend, dass andere die Überzeugung teilen und ebenfalls eine Kerze anzünden. Das Signal dazu kommt von den Glocken, die um 18 Uhr erklingen und die Botschaft über das Jüchener Land tragen.

Wegen der Corona-Beschränkungen kann in Nordrhein-Westfalen bestenfalls ein Drittel der Gläubigen zu Weihnachten einen Gottesdienst in einer Kirche besuchen. In der Regel ist zudem eine vorherige Anmeldung erforderlich. Noch ist nicht sicher, ob größere Weihnachtsgottesdienste draußen – wie sie als Alternative unter anderem in Grevenbroich oder Mönchengladbach vorbereitet werden – tatsächlich stattfinden können. Besondere Feiern – wie das Hirtenamt am ersten Feiertag mit Orgel und Alphornbläsern in Jüchen – werden vermutlich überlaufen sein. Das Bistum Aachen hat auf seiner Homepage eine Ideenbörse eingerichtet, in der Pfarrgemeinden und Initiativen über ihre Angebote berichten können. Vor allem ältere Christen und andere Angehörige von Risikogruppen werden wohl auf Online-Gottesdienste ausweichen, wie sie auch manche lokale Kirchengemeinde anbietet. Ulrich Clancett predigt Heiligabend im ersten Programm. Die ARD hat ihn für die Christmette um 23.20 Uhr aus der Alten Kirche in Lobberich in Nettetal geworben.

Es begab sich also zu der Zeit, als Christi Geburt mit Abstand gefeiert wurde. Die Nacht war etwas stiller als sonst. Aber es war doch eine Heilige Nacht.

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