Kolumne: Gott Und Die Welt Wir sind nur Gast auf Erden

Wir müssen eine neue Haltung und einen neuen Lebensstil entwickeln, um für ein neues Wachstum sorgen zu können: das Wachstum einer globalen Ökologie.

Fahre mit Bus und Bahn, nutze Carsharing, ziehe dich im Winter wärmer an! So konkret ist Umweltschutz bei Papst Franziskus. Doch die neue Umwelt-Enzyklika "Laudato si" ("Gelobt seist du") bietet weit mehr als ein paar Tipps für den Alltag. Sie ist weit kritischer und legt den Finger in die Wunde einer Menschheitsgeneration, die dabei ist, das "gemeinsame Haus" zu zerstören. Franziskus brandmarkt die "beispiellose Zerstörung der Ökosysteme" als eines der großen Probleme der Menschheit. Er deckt den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Armut auf. Die entfesselten Märkte, die Gier nach maximaler Rendite und ein Konsumrausch in der Logik des "Einweggebrauchs" verkennen "die Beziehung verantwortlicher Wechselseitigkeit zwischen dem Menschen und der Natur". Für Franziskus ist die ökologische Frage - die Frage nach der Bewahrung der Schöpfung - eine Frage von Gerechtigkeit und Frieden. Wir als entwickelte und wohlhabende Industrienationen rammen mitunter gedankenlos den ärmsten Ländern unseren ökonomischen Ellenbogen ins Gesicht und entsorgen dann noch unseren hochgiftigen Konsummüll in diesen Ländern.

Franziskus spricht von der ökologischen Schuld, die die starken Regionen dieser Welt auf sich laden. Diese beuten die Schwellen- und Entwicklungsländer aus und belassen sie taktisch in instabilen Verhältnissen. Er räumt auf mit dem falsch eingebrannten biblischen Motiv aus dem Buch Genesis, nach dem sich der "Mensch die Erde untertan machen solle". Er wählt stattdessen die Übersetzung der Stuttgarter Bibel, die da lautet: "Setzt euren Fuß auf die Erde!" Das ist eine Einladung, eine Verantwortung und keine selbstgerechte Herrschaftsaufforderung. Wir müssen lernen, dass es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben kann.

Es braucht eine neue "kosmische Spiritualität". Als Eingeladene, als Gäste für eine kurze Menschenzeit, müssen wir eine neue Haltung und einen neuen Lebensstil entwickeln. Der Klimawandel ist Menschenwerk, und in der Folge entzieht der reiche Norden den Ärmsten den Zugang zu den Grundressourcen des Lebens. Wir sollten uns anders benehmen, als wir es tun.

Jeder hinterlässt seinen persönlichen ökologischen Fußabdruck auf dieser Erde: mit seinem CO2-Verbrauch, mit dem achtlos weggeworfenen Handy, ohne die Rohstoffe darin zu recyceln, durch sein Einkaufsverhalten. Und die Politik? Sie muss den Primat über die entfesselten Märkte wiedergewinnen, um die perverse Logik des immer Mehr zu überwinden. Konkret bedeutet dies das Ende der Privatisierung des Wassers, das Ende der Abholzung der Regenwälder, das Ende der Energiegewinnung mit fossilen Brennstoffen, das Ende der Enteignung der indigenen Bevölkerung durch Großkonzerne, das Ende des nutzlosen Emissionshandels und vieles mehr.

Ist das alles bloß "moralinsaures Gebräu"? Für mich und viele andere Christen auf der Welt ist diese Weltschrift eine Einladung, wenn auch eine radikale. Es ist eine Einladung zum gemeinsamen Ringen für Gerechtigkeit und Frieden in einer Welt, in der Mensch und Natur künftig "mitgeschöpflich" leben. Eine Einladung an uns, mit der Natur zu leben. Aber bestimmt ist es eine Aufforderung an die politisch Verantwortlichen, bei der Weltklimakonferenz für ein neues Wachstum zu sorgen: das Wachstum einer globalen Ökologie.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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