Kolumne: Gott Und Die Welt Weniger Überfluss bedeutet mehr für alle
Tag für Tag sterben 24.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen. Wir müssen unser Produktions- und Kaufverhalten überdenken.
Über zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen allein bei uns in Deutschland Jahr für Jahr auf dem Müll. Um diese Menge zu transportieren, sind 275.000 Sattelschlepper notwendig. Hintereinandergestellt ergäben sie die Strecke von Düsseldorf nach Lissabon - und zurück.
Während wir hier ein Drittel unserer Nahrungsproduktion wegwerfen und viele Lebensmittel nicht einmal das Verkaufsregal erreichen, muss sich gleichzeitig weltweit jeden Abend einer von acht Menschen hungrig schlafen legen. Tag für Tag sterben 24.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen, die mit Abstand meisten von ihnen leben auf der Südhalbkugel.
Massive Überproduktion im Norden, Hunger und Mangel im Süden - wie passt das zusammen in unserer globalisierten Welt? Das frage ich mich nicht nur, weil morgen Welternährungstag ist. Warum bekommen wir es nicht hin, die Lebensmittelproduktion vernünftiger und bedarfsgerechter zu organisieren?
Einfach unsere Überschüsse nach Afrika zu transportieren, ist keine Lösung, denn das Gewerbe vor Ort würde dadurch ruiniert. Aber womit wir anfangen und was wir leicht ändern könnten, ist unser Produktions- und Kaufverhalten. Wir setzen auf Billig- und Überschussproduktion und beuten dafür Ackerflächen und Meere aus - übrigens auch die Meere vor den afrikanischen Küsten. Gegen die großen Trawler haben die einheimischen Fischer keine Chance.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass in unseren Supermärkten alles immer verfügbar ist, aber damit werden wir weder den Menschen noch der Schöpfung gerecht. Lebensmittel, die der Norm nicht entsprechen, werden vernichtet. Was nicht vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums verkauft ist, landet im Müll. Wann begreifen wir endlich, dass die Erde kein Wegwerfprodukt mit Mindesthaltbarkeitsdatum ist? Papst Franziskus hatte schon recht, als er vor drei Jahren schrieb: "Diese Wirtschaft tötet." Er fordert eine Abkehr von der "achtlosen Wegwerfkultur" und ermutigt zu einer globalen Wirtschaftsordnung, die das "gemeinsame Haus" der Menschheit schützt. In einem gemeinsamen Haus ist jeder für jeden verantwortlich. Ob wir den Hunger in der Welt stillen, dafür sind wir auch an unseren Esstischen mitverantwortlich - je nachdem, was und wie viel wir einkaufen. Vielleicht kann der Welternährungstag uns hierfür eine wichtige Orientierung geben: Weniger Überfluss bedeutet mehr für alle!
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de