Gott Und Die Welt Was uns der Übergangsmantel bedeutet

Meinung · Er ist elegant und ein Kind des Wirtschaftswunders. Der Übergangsmantel hilft uns aber auch, die Klippe zwischen Spätsommer und Frühherbst recht ordentlich zu meistern.

Das große Kleidungs-Phänomen dieser Tage ist der sogenannte Übergangsmantel. Eine merkwürdige Gewandung fürwahr, deren Ursprung weitgehend ungeklärt sein dürfte. Ob sie nun der Textilindustrie entstammt zur Vitalisierung des Umsatzes oder der Damenwelt zur Komplettierung des Kleiderschrankes — wer weiß das schon so genau? Interessant ist es aber doch, dass der Duden das Wort erst seit 1954 kennt. Natürlich, mitten in den wirtschaftswunderlichen Jahren! Das erklärt manches, denn dem Übergangsmantel ist ja durchaus ein gewisser Luxus zu eigen. Wer sich durch die Jahreszeiten derart differenziert bewegen und auf den meteorologischen Wechsel der Temperaturen so behutsam reagieren kann, wird wohl kaum darben müssen. Dementsprechend sind Übergangsmäntel in aller Regel elegant. Sie atmen den Geist einer modischen Aufmerksamkeit. In einer Werbung für Übergangsmäntel ist sogar von "souverän" die Rede. Die hässliche Schwester des Übergangsmantels ist die Funktionsjacke, die vielleicht auf das nun unbeständig werdende Wetter tauglicher antworten kann, die den Bedürftigen aber nur schützt, keineswegs kleidet. Zum Übergangsmantel gehören Hut und Schirm, zur Funktionsjacke Trekking-Schuhe und ein Filz-Rucksack aus Schweizer Armeedecken. Möglicherweise markiert der Übergangsmantel nicht nur einen kulturellen Paradigmenwechsel, sondern auch die Schnittstelle zwischen 20. und 21. Jahrhundert. Na ja, übertreiben wir jetzt mal lieber nicht.

Alles in allem: Jetzt wäre die Zeit reif für den Übergangsmantel, in diesem eigenartigen Niemandsland zwischen Spätsommer und Frühherbst. Kein anderer Monat erscheint passender als dieser; und dass genau dafür ein Kleidungsstück ersonnen wurde, darf als kleine romantische Geste gelten, als eine Reminiszenz an Sonne, Strand und Sommerfrische. Mit dem Übergangsmantel steckt uns noch ein wenig Sommer in den Kleidern; er macht uns den Abschied leichter. Mit ihm üben wir schon einmal, wie es sein wird, wenn wir uns demnächst wieder in dicke Mäntel hüllen müssen und durchs knisternde Laub stapfen werden. Der Übergangsmantel ist es, der uns hilft, diese Stimmungsgrenze des Gemüts wenigstens mit Eleganz zu überschreiten.

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(RP)
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