Kolumne: Gott Und Die Welt Selbstliebe schützt vor Burn-out

Von extremen Erschöpfungszuständen sind besonders oft Menschen in helfenden Berufen betroffen. Ihre Einstellung scheint zu fördern, vom verantwortlichen Umgang mit sich selbst abzusehen.

Burn-out - dass von dieser Erkrankung kaum noch etwas hören ist, mag daran liegen, dass sie vielleicht doch nur eine Modeerscheinung oder eine Medienblase gewesen ist (wie immer mal wieder behauptet wird) - oder dass wir uns an sie schon gewöhnt haben: an jenen extremen Erschöpfungszustand, der unter dem Begriff des Burn-outs die unfrohe Runde machte. Gegen eine Verharmlosung der Krankheit aber sprechen Zahlen wie diese: Zwischen den Jahren 2004 und 2012 haben sich die Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen wie Burn-out um das Elffache erhöht.

Wer darin eine vielleicht moderne Zivilisationserscheinung sieht, kann Burn-out als eine Art Sozialpathologie deuten. Burn-out dient dann als eine Projektionsfläche für eine generelle Kritik an der Welt der Arbeit. Der Einzelne ist dann jeder Verantwortung enthoben, weil die alleinige Ursache in der Gesellschaft zwischen Leistungserwartung und zunehmender Ausbeutungsmentalität gesehen wird.

Auffallend aber ist eine andere Burn-out-Erfahrung: dass von solchen Erschöpfungszuständen - auf die der Kranke mit Zynismus und Distanz zur Arbeitswelt reagiert und schließlich in seiner Leistung rapide nachlässt - auffallend viele Angehörige ärztlicher, therapeutischer und erzieherischer Berufe betroffen sind. Alles Menschen also, von denen im Job eine helfende Haltung gegenüber anderen gefordert wird. Engagierte Selbstlosigkeit scheint Selbstüberlastung zu befördern. Burn-out ist so gesehen nicht ausschließlich ein kollektives Krisenphänomen, sondern auch ein individuelles. Es stellt die Frage nach den Grenzen eines sinnhaften Engagements.

Das kann zum Problem werden, wenn dieser Dienst für andere zum sinnerfüllten Leben und im christlichen Sinne als "die individuelle Realisierung der Idee der Nachfolge Christi verstanden wird", so der Münchner Moraltheologe Jochen Sautermeister. Dabei aber muss es um den verantwortlichen Umgang mit sich selbst gehen; um die humane Selbstliebe, die etwas anderes ist die Selbstsucht oder eine Egozentrik, die keinen Gedanken an die Gemeinschaft verschwendet. Selbstliebe ist etwas Natürliches; aus ihr erwächst eine verantwortliche Lebensführung, ein aufgeklärtes Eigeninteresse.

Burn-out ist eine psychische Erkrankung. Burn-out stellt in prekärer Lage aber auch die Frage nach sinnhaftem Handeln, nach der Verantwortung für die eigene Lebensführung und für eine Liebe, die dem Nächsten ebenso gelten muss wie die Liebe zu sich selbst.

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(RP)
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