Kolumne: Gott Und Die Welt Lehren aus den Austritten

Sind Sie noch drin?", fragt ein Gemeindepfarrer der rheinischen Kirche auf seiner Facebook-Seite: "Sind Sie noch drin in der Kirche?" Es ist schon länger nicht mehr selbstverständlich, in der Kirche zu sein. Das ist nicht erst klar, seit vergangene Woche die Austrittszahlen der christlichen Kirchen für 2014 veröffentlicht wurden.

Zeiten ändern sich, und Menschen ändern sich in ihnen. Früher wählten (erwachsene) Kinder eher selbstverständlich dieselbe Krankenkasse wie ihre Eltern. Für die Wahl von Parteien galt Ähnliches. Kirchenaustritte waren - auch wegen der Reaktion der Eltern und Großeltern - schier unmöglich. Das ist vorbei. So ticken Menschen nicht mehr. Es gibt nicht mehr die selbstverständliche Krankenkassen-, Kirchen-, Parteien- und Sonst-was-Treue. Das Bindungsverhalten hat sich verändert. Menschen schauen nach dem, was zu ihren aktuellen Bedürfnissen am besten passt.

Auch mit Blick auf Kirche. Passt die noch in die Zeit? Hat die mir noch etwas zu sagen? Klimaschutz? Ist auch bei Greenpeace zu haben. Gerechte Löhne? Wollen die Gewerkschaften auch. Engagement für Flüchtlinge? Das bewegt, Gott sei Dank, viele. Braucht man eine Kirche, die nur nachplappert, was auch andere politisch oder zivilgesellschaftlich fordern?

Eine Kirche, die glaubt, dass Gott sich seiner Welt und den Menschen freundlich zugewandt hat, bleibt gefragt. Diese Kirche mischt sich hemmungslos ein, wenn es um gerechtes Zusammenleben und um Bewahrung der Schöpfung geht. Sie ist Lobbyistin der Vergessenen und Vernachlässigten und bleibt Anwältin des bedrohten und geschundenen Lebens. Sie vertraut darauf, dass Gott keinen Menschen aufgibt: im Leben und im Tod nicht. Deshalb begleitet sie Menschen in den Höhen und Tiefen des Lebens, in guten und bösen Tagen. In Gottesdiensten lädt sie zum Glauben an Jesus Christus, den Liebhaber des Lebens, ein. Sie hält die Hoffnung und Botschaft wach, dass Gott es gut meint mit den Menschen und seiner Welt.

"Das Evangelium ist eine Frohbotschaft und keine Drohbotschaft. Bei uns soll niemand auf den rechten Weg gezwungen werden. Aber wenn Sie den Weg des Glaubens gehen wollen, dann nehmen wir Sie gerne mit und helfen Ihnen auch gerne bei den ersten Annäherungsversuchen und bei den ersten Schritten." So schreibt der Pfarrerkollege bei Facebook. Ja, wer ahnt, dass es mehr als alles gibt, ist bei Kirche an der richtigen Adresse.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier an jedem vierten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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