Kolumne: Gott Und Die Welt Kinder sind kein Handelsgut

Die Debatte über Deutschlands niedrige Geburtenrate liest sich mitunter wie ein Börsenbericht. Vielleicht liegt genau darin einer der Gründe für den fehlenden Nachwuchs.

Wer all die Kassandrarufe zum Kindermangel der Deutschen liest, kann leicht den Eindruck gewinnen, er würde eine Art Börsenbericht lesen. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Forschungsinstitute befinden über Geburtenraten, prognostizieren den Deutschen angesichts ihres geringen Fortpflanzungseifers ökonomische Nachteile: höhere Lohnnebenkosten, nachhaltige Standortprobleme und irgendwann auch Mangel an Fachkräften et cetera. Wir hören uns das an, erinnern uns an die Babyboomer-Jahre und mokieren uns über das drohende "Aussterben" der Deutschen mit gleicher Nostalgie wie über den von Reinhard Mey besungenen Verlust der Maikäfer.

Wer kneift uns eigentlich, damit wir endlich aufwachen aus einer mal wieder faktenreich und kühl-objektiv geführten Debatte über das Leben; über Zeugung und Schöpfung; über das Intimste und Wundersamste, was es gibt auf der Welt?

Allein solche Worte wirken schon wie ein Fremdkörper in der gesamten Diskussion, wie Gesteinsbrocken vom Stern irgendeiner weltfremden Romantik.

Es gibt für den anhaltenden Kindermangel in Deutschland verschiedene Gründe. Doch sollte man auch mal überlegen, warum ausgerechnet eines der reichsten Länder der Welt die niedrigste Geburtenrate hat? Und ob nicht vielleicht ein Zusammenhang zwischen beidem besteht und darin eine wesentliche Ursache zu finden ist? Denn wer über Kinder vor allem als Handelsgut oder Wirtschaftsfaktor spricht, darf sich nicht wundern, dass eine solche Degradierung zum Objekt unsere Haltung beeinflusst. Märkte sind nie neutral; sie nehmen mit der Zeit auch Einfluss auf unsere Lebensbereiche. Marktnormen verdrängen andere Normen. Wer empört sich noch darüber, wenn Ökonomen unser Weihnachtsfest durchrechnen und in Sachgeschenken nur Nutzwertverlust sehen?

Es gibt einen zersetzenden Effekt des Geldes, sagt der US-Philosoph Michael Sandel, denn es verdrängt Interesse und Engagement. Wer mit finanziellen Anreizen versucht, die Geburtenrate zu steigern, korrumpiert die Menschen, wandelt soziale Verhaltensweisen und moralische Haltungen. Es beschädigt grundlegend auch unsere Einstellungen zu Kindern und droht Besitz zu ergreifen von Elternschaft und einer Liebe, die immer bedingungslos ist. Fortpflanzung ist auch im 21. Jahrhundert keine Transaktion.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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