Kolumne: Gott Und Die Welt Großes Loblied auf den Brustbeutel

Vor allem früher drängte sich auf Reisen die Frage auf: Wohin mit dem Geld? Die Antwort: in den Brustbeutel. Der war beige, an komischen Schnürsenkeln befestigt und fast immer leer.

Als das sommerliche Reisen noch eine Sache des Geldes war, also der richtigen, greifbaren Scheine und Münzen und nicht bloß der Kreditkarten, entschied die sichere Aufbewahrung der Zahlungsmittel über Wohl und Wehe des Urlaubs. Denn je ungewisser der Landstrich schien, desto größer war das mitgeführte Sümmchen. Wobei vor der europäischen Währungsunion die gesamte Reisekasse schon daheim umgetauscht wurde - die damalige D-Mark also in zumeist sehr bunte Scheine oder auch größere Lappen, die an Spielgeld erinnerten und uns allein schon dadurch ein Gefühl von der Exotik der bevorstehenden Fahrt gaben.

Was tun? Tüftler begannen damit, sich in diverse Kleidungsstücke Innentaschen einzunähen. Komfortabel war das nicht. Die meisten griffen also zum sogenannten Brustbeutel, der auch nicht sonderlich cool , dafür aber besonders sicher war. Solche Beutel gibt es zwar heute noch - meist als outdoorgetestete, hautfreundliche und atmungsaktive High-Security-Bags. (Höchstwahrscheinlich wird man je nach Knopfdruck aus ihnen auch ein provisorisches Zelt oder ein kleines Faltboot zaubern können. Man weiß heutzutage ja nie, wozu die Draußen-daheim-Apologeten so alles fähig sind.) Damals aber gab es nur den Klassiker, den unwiederbringlich echten Brustbeutel: Der hatte nur eine Tasche, war aus weichem, beigefarbenem Kunstleder, das durch den permanenten Hautkontakt spätestens nach zwei Tagen speckig zu werden begann, und hing an Schnüren, die den weißen Schnürsenkeln von Turnschuhen sehr ähnlich sahen.

Einfach, aber praktisch. Um ans Geld zu kommen, zogen manche am Schnürchen im Nacken, andere griffen beherzt von oben oder von unten ins eigene Shirt. Elegant war das alles nicht. Zumindest konnte man sich als Bleichgesicht auf die nordamerikanischen Indianer berufen, die zu den frühen Brustbeutel-Trägern gehörten. Spannenderweise diente dieses Accessoire aber weniger dem Krieger - etwa zur Aufbewahrung frischer Skalps. Sie waren eher ein mickriges spirituelles Notarztköfferchen, in dem der Schamane des Stammes Dinge mit übernatürlichen Kräften aufbewahrte und noch dazu hilfreiche Kräuterchen gegen Schlangenbiss und Teufelswasser.

Dieser Gebrauch ähnelt wiederum unserer eigenen Brustbeutel-Verwendung. Denn wie oft senkte sich gegen Ende einer Reise der Blick in den Brustbeutel, um eine Vermehrung seines Inhalts zu beschwören. Doch der Beutel blieb charakterstark und das, was er war: beige, speckig und so gut wie leer.

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(RP)
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