Gott und die Welt Ein Sonntag im Namen des Judentums
Kolumne · Israelfeindlichkeit hat Konjunktur – auch in Deutschland und Europa. Nicht nur deshalb ist der Gedenktag wichtiger denn je. Denn die christliche Botschaft ist nur in Respekt vor jüdischer Theologie zu verstehen.
An diesem Wochenende wird nach unserem liturgischen Kalender in Gottesdiensten der „Israelsonntag“ gefeiert. Die Tradition, an einem Sonntag des Kirchenjahres explizit das Verhältnis von Judentum und Christentum zu bedenken, gibt es in den evangelischen Kirchen Deutschlands bereits seit dem 16. Jahrhundert. Zunächst unter dem Namen „Judensonntag“, im 19. Jahrhundert dann als „Tag der Judenmission“ und nach dem Zweiten Weltkrieg als „Israelsonntag“. Diese Namenswechsel verweisen für mich auf unverzichtbare und grundlegende Veränderungen unserer evangelischen Theologie: Christentum und Kirche sind nicht als von Gott neu erwählt und deshalb Ablösung des Judentums und Israels zu verstehen.
Gottes Treue zu seinem Volk Israel kann und darf von christlicher Theologie nicht infrage gestellt werden. Ich nehme dankbar wahr, dass sich unsere Theologie nach dem Holocaust den ihr innewohnenden antijüdischen Tendenzen gestellt hat. Und ebenso den Verstrickungen von Christentum und Kirchen in die Schuldgeschichte gegenüber Jüdinnen und Juden. Den Israelsonntag verstehe ich innerkirchlich als eine notwendige gottesdienstliche Gelegenheit, uns dem bleibend Jüdischen unserer Theologie und unseres Glaubens zu stellen. Und dabei demütig anzuerkennen, dass Jesu Botschaft nur in Respekt vor und in Auseinandersetzung mit jüdischer Theologie zu verstehen war und ist.
Gegenwärtig aber hat der Israelsonntag für mich noch eine außerkirchliche Dimension: Israelfeindlichkeit hat Konjunktur – auch in Deutschland und Europa. Berechtigte Kritik an den Rechtsbrüchen israelischer Regierungen dient leider auch als Begründung und Vorwand für Judenhass und für eine grundsätzliche Bestreitung des Existenzrechtes des Staates Israel. Die morgigen Gottesdienste können den Krieg zwischen Israel und Palästina nicht befrieden, aber sie können Gemeinden neu sensibilisieren gegen Antisemitismus und für Respekt, Gerechtigkeit und Frieden zwischen Völkern und Religionen.
Unsere Autorin war Lehrerin für evangelischen Religionsunterricht und Mathematik. Sie wechselt sich hier mit der katholischen Theologin Dorothea Sattler, Rabbi Jehoschua Ahrens und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.