Kolumne: Gott Und Die Welt Freiraum am Wir-Tag

Köln · Nordrhein-Westfalen will die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage verdoppeln. Von Entfesselung spricht die Regierung, in Wahrheit aber ist es Raubbau.

 Der rheinische Präses Manfred Rekowski.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski.

Foto: dpa, Daniel Naupold

Wie schön, dass es ihn gibt - den Wir-Tag. Ich schätze den Wir-Tag sehr! Einmal pro Woche unterbricht er Alltag und Hektik und macht jede Menge Wir möglich: Meine Frau und ich frühstücken in Ruhe gemeinsam. Wir treffen unsere Kinder oder besuchen Freunde. Wir gehen gemeinsam in ein Konzert. Wir fahren Rad oder gehen gemeinsam mit Freunden spazieren. Wir treffen uns zum Gottesdienst in der Kirche.

Einmal in der Woche schafft der Sonntag für die weit überwiegende Zahl der Menschen in unserem Land Frei-Zeit und Frei-Raum für Körper, Geist und Seele - und er schafft Frei-Zeit und Frei-Raum für Gemeinsames, was unter der Woche nur mühsam möglich ist, wenn Beruf, Schule und andere Verpflichtungen in der Familie oder unter Freunden kaum unter einen Hut zu bringen sind. Der Sonntag bietet vielen Menschen gemeinsame Zeit.

Ja, klar, gemeinsam einkaufen gehen zu können, das passt ebenfalls nur schwer in den familiären Alltagsplan und könnte auch am Sonntag erledigt werden. Aber ist es die gemeinsame Shoppingtour wert, dass dafür so viele Menschen - vor allem Frauen - im Einzelhandel ihrer Frei-Zeit, ihres Frei-Raums und ihres Wir-Tags beraubt werden?

Für die NRW-Landesregierung ist es das offenbar wert. Sie setzt auf die Verdoppelung der verkaufsoffenen Sonntage und auf die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen bis Mitternacht. "Entfesselungspaket" klebt als Etikett auf diesem Vorhaben, von dem man sich Rettung für den Einzelhandel verspricht, der mit der Konkurrenz rund um die Uhr erreichbarer Onlinehändler zu kämpfen hat.

Mir ist der Preis, den viele Beschäftigte im Einzelhandel und am Ende auch wir als Gesellschaft insgesamt für diese Politik zahlen müssen, zu hoch. Für mich bedeutet diese Entfesselung Raubbau an dem, was menschenfreundlich ist, an dem, was zu unserer Kultur gehört, und an dem, was unsagbar wertvoll für das Wir ist: gemeinsame Zeit. Und gottvergessen ist's am Ende auch noch, denn nach der biblischen Überlieferung verdanken wir Gott dem Schöpfer den Ruhetag - seinen Ruhetag für ihn, für uns, fürs Wir. Denn Wir sind mehr als Arbeiten, Verdienen und Kaufen. Morgen ist wieder Wir-Tag. Machen Sie gemeinsam mit anderen etwas draus!

Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier an jedem vierten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort