Kolumne: Gott Und Die Welt Das Zusammenleben hilft gegen Fremdenhass

Nach Salzhemmendorf und Heidenau wird wieder einmal die Ahnung genährt, dass all die Sprüche vielleicht doch nicht so viel genützt haben. Also all unseren aufgeklärten Bekenntnisse gegen Fremdenhass, die wir seit Oberstufenzeiten als Aufkleber und Sticker mit uns durchs Leben getragen haben. Es waren pseudo-nachdenkliche Botschaften wie "Alle Menschen sind Ausländer, fast überall." Oder ironisch-flehentliche: "Ausländer, lasst uns nicht allein mit diesen Deutschen". Und als schließlich die Menschen doch nicht so wollten, wie sie es aus unseren guten Gründen sollten, traten wir die Flucht ins Groteske an: "Einer von vier Menschen ist ein Chinese. Falls dein Vater, deine Mutter und deine Schwester es nicht sind, dann bist du einer."

Fremdenfeindlichkeit hat dies nicht verhindert. Vielmehr dürften die Parolen mehr unserer Selbstvergewisserung gedient haben. Sie kursierten in Kreisen, die ohnehin derselben Meinung waren. Unsere Aufklärung erreichte nur die vermeintlich Aufgeklärten. Das spricht nicht gegen Aktionen solcher Art. Doch sollte man sich ihrer vermutlich bescheidenen Wirkung bewusst sein.

Was hilft dann? Patentrezepte wird es kaum geben. Doch liefern die im Osten und Westen Deutschlands so unterschiedlichen Stimmungen gegenüber Ausländern Hinweise darauf, das Fremdenhass auch eine Folge von Isolation sein kann. Der auch System-abhängige geringe Ausländeranteil zu DDR-Zeiten hat offenbar eine Art volkseigenen Nationalismus hervorgebracht. "Ausländerfeindlichkeit war eine Gesinnungsfrage", sagt der Historiker Jochen Staadt. Das erschreckt zunächst, kann aber auch Hoffnung machen. Weil offenbar auch der Umkehrschluss trägt. Dass nämlich Fremdenhass dort geringer ist, wo viele Ausländer wohnen.

Das Zusammenleben ist nach wie vor das beste Mittel gegen Vorurteile. Das Leben und das Zusammenleben wird zum Lehrmeister. Das ist nicht immer so bequem, weil irgendwann auch Fragen an uns gerichtet werden: Was ist überhaupt ein Einheimischer? Und was ein Fremder? Vielleicht ist das die Zeit, sich riskanten Überlegungen zu stellen, wie jenen von Peter Sloterdijk. Denn für ihn ist eine Geburt kein Beitrag zur nationalen Produktion, sondern grundsätzlich erst einmal das: eine Einwanderung.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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