Gott und die Welt Weniger reisen, mehr denken
Kolumne · Sich mobil zu halten, ist eine Aufgabe für die Füße und den Geist – und tut der Umwelt gut. Einige Dilemmata lassen sich trotzdem nicht lösen. Jede Wahl hat Nachteile. Manche Entscheidungen sind jedoch beeinflussbar.
Mobilität bewahren, beweglich sein – wer wollte das nicht bis in ein hohes Alter? Vieles erleichtert heute das Leben mit Einschränkungen: Rollatoren, elektronisch zu steuernde Rollstühle, Aufzüge, Automatikgetriebe. Etwas selbst noch erreichen zu können, ist der Wunsch. Wie schwer das manchmal ist, erleben Menschen bei hohen Bordsteinen, Kopfsteinpflaster oder defekten Rolltreppen. Manche Wege lassen sich nicht zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Viele Menschen haben in den letzten Wochen das Auto, Flugzeug oder ein Schiff als hilfreich erlebt, um die weite Welt mit eigenen Augen anschauen zu können. Es ist gut so – und dennoch bleiben die Selbstanfragen: Wie kann die Erderwärmung verringert werden? Was könnte zum Verzicht motivieren? Was ist die Alternative?
Viele Sitzungen finden heute am Bildschirm statt. Auch dies ist Präsenz – in einer veränderten Form der Begegnung. Konzentrierter, kürzer sind oft die Beratungen. Das entlastet und nimmt zugleich etwas: existenzielle Gespräche am Rande und das Ausruhen der Augen auf den Reisewegen durch Blicke auf Landschaften.
Dilemmata lassen sich nicht lösen. Jede Wahl hat Nachteile. Manche Entscheidungen sind jedoch beeinflussbar: Brauchen wir wirklich noch mehr Autos in den Innenstädten? Steigen nicht die Gefahren, wenn Jugendliche noch früher den Führerschein machen? Wäre es nicht sinnvoller, den Nahverkehr zu verbessern? Was motiviert dazu, einen Bus zu steuern? Der Wahlkampf hat begonnen – und damit das Gerangel um Zustimmung zu politischen Meinungen.
Sich mobil halten – das ist nicht nur eine Aufgabe für die Füße. Die bevorstehenden Paralympics lassen uns erstaunen. Der Mensch ist ein Wunderwesen der Evolution: Auf kleiner Fläche kann er stehen und gehen – und hat die Arme frei zum Handeln. Auch Gelähmte können mental mobil sein: offen und dankbar für Besuche, die die Welt zu ihnen bringen. Wer noch gehen kann, der bewege sich!
Unsere Autorin ist Professorin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sie wechselt sich hier mit der evangelischen Religionslehrerin Anne Schneider, Rabbi Alexander Grodensky und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.