Gemeinsame Forschung Jenseits von Schwarz-Weiß-Denken

Meinung | Münster · Ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber islamischen Institutionen erschwert die vorurteilsfreie Forschung. Doch auch die islamische Seite ist oft voreingenommen.

Symbolbild.

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Foto: dpa/Oliver Berg

Vor einigen Wochen stellte ich einen Antrag auf Förderung eines wissenschaftlichen Projekts, das gemeinsam mit einer marokkanischen Institution durchgeführt werden soll. Daraufhin kam die kritische Rückfrage eines Gutachters, ob die Institution nicht antisemitisches Gedankengut verbreiten würde. Im Gespräch fragte ich nach, wie der Gutachter auf diese Idee kommt. „Die Institution heißt King Abdul-Aziz Al Saoud Foundation, sie ist nach dem ehemaligen saudischen König Al Saoud benannt.“ Dieser soll sich Ende der 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts kritisch gegen die Errichtung des Staates Israel geäußert haben. Ich erklärte ihm, dass der Name der Stiftung nichts mit den Ansichten des ehemaligen Königs Saudi-Arabiens zu tun hat.

Ich spreche dieses Problem deshalb an, weil ich immer wieder erlebe, wie Kolleginnen und Kollegen in der Wissenschaft schnell gebremst werden, sobald sie mit Institutionen zusammenarbeiten möchten, die in arabischen beziehungsweise islamischen Ländern beheimatet sind. Denn nicht selten sind diese entweder nach Personen genannt, die sich kritisch zur Errichtung des Staates Israels geäußert haben, oder wurden von solchen Personen eingerichtet.

Was macht nun ein deutscher Forscher, der an einer rein wissenschaftlichen Zusammenarbeit interessiert ist, aber durch solche Gegebenheiten gebremst wird? Ich persönlich bin ich gegen Schwarz-Weiß-Lösungen, die erwarten, dass ausländische Partnerinstitutionen vollkommen aufgeklärt sind und unsere Wertevorstellungen vertreten, andererseits würden wir sie boykottieren. Ich bin mehr für das Schaffen von Dialogräumen, in denen für das jeweils andere Anliegen sensibilisiert wird.

Und dies gilt für beide Seiten. Wenn ich zum Beispiel auf Konferenzen im Libanon eingeladen bin, werde ich jedes Mal im Flughafen danach gefragt, ob ich schon mal in Israel war. Ein „Ja“ hätte dann die Konsequenz, dass ich das Land nicht betreten dürfte. Ich muss daher jedes Mal den zuständigen Beamten anlügen. Zum Glück bekommt man in Israel das Visum auf Verlangen auf einem Extrablatt ausgehändigt und wird nicht im Pass gestempelt. Eine wohlwollende Verständigung aller Beteiligten würde vielen Betroffenen, die sich nur ein friedliches Miteinander wünschen, das Leben erleichtern. Solche Themen, wie Antisemitismus, sollten daher stärker im internationalen Diskurs und im diplomatischen Austausch angegangen werden.

Unser Autor ist Islamwissenschaftler an der Universität Münster. Er wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Religionslehrerin Anne Schneider und dem Rabbi Jehoschua Ahrens ab.

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