Drach-Prozess: Reemtsma-Ehefrau schildert Angst nach Entführung

Hamburg (dpa). Fast fünf Jahre nach der Entführung des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma leidet dessen Ehefrau Ann Kathrin Scheerer noch immer unter den Folgen der Tat. "Wir haben unsere Sicherheit verloren und das begleitet uns bis heute", sagte die 46-Jährige am Freitag als Zeugin vor dem Hamburger Landgericht im Prozess gegen den mutmaßlichen Entführer D.. Sie und ihr Ehemann hätten seit der Tat im März 1996 immer wieder mit Albträumen zu kämpfen.

Drach steht seit Dezember wegen erpresserischen Menschenraubs vor Gericht. Der 40-Jährige hat gestanden, Reemtsma im März 1996 vor dessen Haus gekidnappt und in ein Kellerverlies bei Bremen verschleppt zu haben. Der Sozialwissenschaftler kam nach 33 Tagen Geiselhaft gegen ein Lösegeld von 30 Millionen Mark frei.

Die Psychoanalytikerin Scheerer schilderte vor Gericht, ihr damals 13-jährige Sohn habe unter der Entführung besonders gelitten. Der Junge sei davon ausgegangen, seinen Vater nicht lebend wiederzusehen. "Es tut sehr weh, sich das alles ins Gedächtnis zu rufen", sagte die 46-Jährige. Ein sichtlich erschütterter Reemtsma ließ während der Aussage seine Ehefrau nicht aus den Augen. D. blickte dagegen scheinbar desinteressiert aus dem Fenster.

Zuvor war im Gericht kontrovers über D. Haft in Argentinien gestritten worden. Ein Beamter des Hamburger Landeskriminalamtes schilderte dessen Zelle in Buenos Aires: "So was gibt es in Hamburg nicht." Mit südamerikanischen Verhältnissen verglichen habe der Angeklagte in "Luxushaft" gelebt, sagte der Beamte in einer Verhandlungspause.

Zu Prozessbeginn hatte D. erklärt, er wolle "jede Strafe annehmen, wenn die argentinische Haft im Verhältnis drei zu eins angerechnet" werde. Er habe dort von März 1998 bis zu seiner Auslieferung im Juli vorigen Jahres unter "menschenunwürdigen Zuständen" eingesessen. Seine Verteidiger hatten Fotos veröffentlicht, die das untermauern sollten. Sein Anwalt sprach von einer "miserablen Lage mit offenen Stromleitungen, zerschlagenen Fliesen und eingerissenen Trennwänden".

Reemtsma-Anwalt bezweifelte, dass Drach monatelang unter diesen Verhältnissen leben musste. "Möglicherweise wurden die Bilder aufgenommen, als Drach mit einem Teil des Lösegeldes die Zelle umbauen ließ", meinte Schwenn. Er erinnerte an Zeugenaussagen mehrerer Polizisten, die von einem 33-Quadratmeter großen Zellentrakt mit separatem Schlafraum, eigener Dusche und Küche berichtet hatten. Ein Beamter legte dem Gericht Fotos der renovierten Räume als Beweismittel vor.

(RPO Archiv)
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