Satirisches Gedicht auf Instagram Ex-"Miss Turkey" droht Haft wegen Beleidigung Erdogans

Istanbul · Weil sie ein Gedicht auf dem Online-Fotodienst Instagram verbreitete, in dem Staatschef Erdogan verspottet wird, droht der früheren Miss Türkei Merve Büyüksarac nun ein Prozess.

Ex-"Miss Turkey" (rechts) drohen zwei Jahre Haft.

Ex-"Miss Turkey" (rechts) drohen zwei Jahre Haft.

Foto: dpa, pmb_jh sab

Wie die Online-Ausgabe der Hürriyet berichtet, will die Istanbuler Staatsanwaltschaft die frühere Miss Türkei Merve Büyüksarac (26) wegen Beleidigung eines Beamten belangen. Büyüksarac war vergangenen Monat festgenommen worden. Ein Gericht muss entscheiden, ob ein Verfahren gegen die türkische Schönheitskönigin von 2006 aufgenommen wird.

Der Text mit dem Titel "Meistergedicht", der Erdogan unter Verwendung von Zeilen der türkischen Nationalhymne kritisiert, stammt noch aus seiner Zeit als Ministerpräsident. Büyüksarac verbreitete das Gedicht aus der Satirezeitschrift "Uykusuz" ("Schlaflos") vor Erdogans Wahl zum Staatschef im August vergangenen Jahres auf ihrer Profilseite im Onlinedienst Instagram. Der 60-jährige islamisch-konservative Politiker wird in der Türkei ironisch "Großer Meister" genannt. Auf diese Bezeichnung greift auch das "Meistergedicht" zurück

Beim Verhör konnte sich das Model zunächst nicht einmal mehr an das besagte Posting erinnern. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, Erdogan zu beleidigen. Sie hätte das Gedicht einfach lustig gefunden. Sollte Büyüksarac verurteilt werden, drohen ihr bis zu zwei Jahre Haft. Derartige Repressionen sind in der Türkei längst keine Einzelfälle mehr: Erst kürzlich hatte ein Gericht in der Türkei einen 17-jährigen Schüler wegen Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Schüler nahm an einer regierungskritischer Kundgebung teil.

Immer wieder soll es in der Türkei zu neuen Festnahmen von Verdächtigen gekommen sein, denen illegale Abhöraktionen gegen den damaligen Ministerpräsidenten (seit 2003) und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan (seit 2014) vorgeworfen werden. In 54 Fällen habe die Staatsanwaltschaft in Ankara Haftbefehle erlassen, berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu. Davon seien 40 Verdächtige in Untersuchungshaft.

#sendeanlat - Türkinnen demonstrieren gegen Gewalt an Frauen
6 Bilder

#sendeanlat - Türkinnen demonstrieren gegen Gewalt

6 Bilder
Foto: afp, OZN/MS

In zahlreiche Razzien in Ankara sowie 19 weiteren Städten im Südosten des Landes, wurden viele Polizisten und einige ranghohe Beamte festgenommen. Ihnen wird Spionage und Bildung eines "Parallelstaats" in der Türkei vorgeworfen. Erdogan reagiert damit auf Korruptionsvorwüfe, die 2013 laut wurden. Dabei geriet auch Erdogans Familie zunehmend in Bedrängnis. Erdogan bezichtigte seinen ehemaligen Verbündeten Fetullah Gülen, der sich seit Jahren im Exil in den USA befindet, falsche Vorwürfe über seine Anhänger aus Polizei und Justiz zu implementieren, um die AKP-Regierung zu stürzen.

Dies führte sogar zur Sperrung des Videoportals YouTube. Nachdem mutmaßliche Beweiseaufnahmen von Telefongesprächen auf der Videoplattform YouTube veröffentlicht wurden, ließ Erdogan kurzerhand die Webseite landesweit sperren. Das YouTube-Verbot in der Türkei wurde kurz darauf durch ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichts aufgehoben. Es hatte entschieden, dass die Sperre die Meinungsfreiheit verletze. Bis heute bestreitet Erdogan alle Vorwürfe.

(cc)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort