Bilanz des Terrors RAF - Kürzel des Schreckens

Düsseldorf · Die in Stuttgart verurteilte Verena Becker gehörte zu der ruchlosen linksterroristischen Bande, die in ihrem 28-jährigen Bestehen zwischen 1970 und 1998 insgesamt 34 Menschen, darunter Prominente und Nichtprominente, ermordet hat. Noch immer sind nicht alle Taten gesühnt.

Das Opfer, die Akteure, die Rätsel
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So abgefeimt und inhuman wie Ulrike Meinhof, das Gründungsmitglied der Rote-Armee-Fraktion (RAF), so reden alle Terroristen. Im Juni 1970, einen Monat nachdem sich die RAF gegründet hatte, sprach Meinhof: "Wir sagen, natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in der Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch... Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden... und natürlich kann geschossen werden."

Verena Becker, die zwischen 1977 und ihrer Begnadigung 1989 durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker "lebenslang" inhaftiert war und wegen Beihilfe zum dreifachen Mord zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurde, hatte bei der Planung des Mordanschlags auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback die Parole ausgegeben: "Der General muss weg."

Woran man erkennt: Die zweite von drei RAF-Generationen, zu der Becker gehörte, hatte Meinhofs "Bullen sind Schweine" ausgedehnt auf hochrangige "System"-Vertreter der Bundesrepublik. So kam es, dass den Mordtaten der Linksterroristen 34 Menschen zum Opfer fielen: besagter oberster Ankläger des Bundes, Polizisten, Chauffeure, Botschafter, Wirtschaftsführer.

Die Täter

Es begann mit der Journalistin Ulrike Meinhof und dem Wüstling Andreas Baader, weshalb die Rote-Armee-Fraktion (von Meinhof so benannt nach der 1945 siegreichen Roten Armee der kommunistischen Sowjetunion) zunächst in der Öffentlichkeit "Baader-Meinhof-Bande" — von manchen bewusst verharmlosend "Baader-Meinhof-Gruppe" — genannt wurde.

Zu Meinhof und Baader, die schon 1968 mit einer Kaufhaus-Brandstiftung und danach mit Bombenanschlägen auf sich aufmerksam gemacht hatten, gesellten sich Jan-Carl Raspe, Holger Meins und Gudrun Ensslin. Meinhof, die wegen Gefangenenbefreiung (1970) und eines Bombenanschlags (1972) zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, nahm sich 1976 im Gefängnis mit einem Strick das Leben.

Baader, Raspe und Ensslin (wegen diverser Mordanschläge zu lebenslanger Haft verurteilt) töteten sich in der Nacht nach Bekanntwerden der spektakulären Flugzeug-Geiselbefreiung von Mogadischu (Somalia) vom 17. auf den 18. Oktober 1977 in ihren Zellen in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim selbst — Baader und Raspe mittels eingeschmuggelter Pistolen, Ensslin wie Meinhof durch Erhängen. Holger Meins war 1974 als Häftling an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben.

Von den geschätzten 60 bis 80 RAF-Mitgliedern starben 27 durch Suizid, bei Polizeieinsätzen oder durch Krankheit.

Zu den Haupttätern der zweiten RAF-Generation zählten Christian Klar (fünfmal lebenslang, 2008 nach 26 Jahren Haft entlassen), Brigitte Mohnhaupt (fünfmal lebenslang, 2007 nach 24 Jahren frei), die gestern erneut verurteilte Verena Becker, Susanne Albrecht (zwölf Jahre Haft wegen Beteiligung am Mord an dem Bankier Jürgen Ponto, nach sechs Jahren aus der Haft entlassen), Peter-Jürgen Boock (mehrfach lebenslang, nach 18 Jahren frei), Knut Folkerts, Irmgard Möller, Adelheid Schulz, Günter Sonnenberg, Angelika Speitel, Inge Viett, Stefan Wisniewski, Rolf Clemens Wagner. Alle waren wegen Mordes "lebenslang" inhaftiert und sind längst auf freiem Fuß beziehungsweise verstorben.

Folkerts, Klar und Mohnhaupt erhielten ihre Strafen unter anderem wegen Mittäterschaft beim Anschlag gegen Buback und seine beiden Begleiter. Klar und Mohnhaupt, Möller, Boock und Wisniewski sind laut Gerichtsurteil für die Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer verantwortlich gewesen. Die Köpfe der zweiten RAF-Generation waren allesamt mörderisch gesinnte Terroristen, erbarmungslose Killer. Sie machten weder beim Mord an Buback (7. April 1977) oder bei der Entführung Schleyers (5. September 1977) einen Unterschied zwischen ihren prominenten Opfern und deren Fahrern beziehungsweise Personenschützern.

Die Täter der dritten RAF-Generation blieben weitgehend im Dunkeln. Zu erwähnen sind Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Grams starb 1993 in Bad Kleinen, als die Polizei ihn festnehmen wollte. Hogefeld, auf deren Konto die Ermordung des US-Soldaten Edward Pimental ging, war bislang die letzte inhaftierte RAF-Terroristin. Sie kam 2011 nach 18 Jahren frei.

Die Opfer

Unter den 34 RAF-Opfern ragten neben Buback durch Prominenz heraus: die Chefs von Dresdner und Deutscher Bank, Jürgen Ponto (erschossen 1977 in seinem Haus in Oberursel) und Alfred Herrhausen (umgebracht 1989 in Bad Homburg durch einen Sprengstoffanschlag gegen sein Auto). Weitere bekannte Opfer waren: Treuhand-Chef Detlev K. Rohwedder (erschossen 1991 in seinem Düsseldorfer Haus); Siemens-Manager Karl-Heinz Beckurts (Sprenstoffanschlag bei München 1986); die Diplomaten Gerold von Braunmühl (erschossen 1986 in Bonn), Andreas von Mirbach und Heinz Hillegaard (erschossen beim Anschlag gegen die deutsche Botschaft in Stockholm 1975). Stellvertretend für die vielen nicht prominenten Opfer stehen die Polizisten Reinhold Brändle, Helmut Ulmer, Roland Pieler. Sie starben bei der Schleyer-Entführung in Köln.

Ungeklärte Fälle

Nachdem es Verena Becker nicht gewesen ist, bleibt unklar, wer am 7. April 1977 vom Rücksitz eines Motorrades aus in Bubacks Dienstwagen gefeuert hat. Nicht geklärt ist ferner die Ermordung Herrhausens. Die Aufklärung des Mordes an Rohwedder durch einen Scharfschützen ist nicht vollends gelungen. Man vermutet heute, dass der 1993 getötete Terrorist Grams tatbeteiligt gewesen sein könnte. Unaufgeklärt bleibt die Erschießung des Rüstungskonzern-Managers Ernst Zimmermann 1985.

(RP/pst)
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