Keine Verunglimpfung des Staates Provozierendes Punk-Lied fällt unter Kunstfreiheit

Karlsruhe (AP). Das Lied "Deutschland muss sterben" der Hamburger Punk-Rock-Gruppe Slime darf öffentlich abgespielt werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit Hinweis auf die Kunstfreiheit die Verurteilung eines Versammlungsleiters aufgehoben, der das Lied 1997 auf einer Berliner Kundgebung abspielte und damit gegen ein polizeiliches Verbot verstieß.

Das Amtsgericht Tiergarten, das in dem Liedtext eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole erkannte, hat nach Ansicht der Verfassungsrichter den Kunstcharakter des Liedes verkannt.

Der zu einer Geldstrafe Verurteilte hatte vergeblich beim Landgericht Berlin Berufung eingelegt, und auch sein Revisionsantrag beim Kammergericht Berlin hatte keinen Erfolg. Beim Bundesverfassungsgericht jedoch hatte seine Beschwerde Erfolg. Wie es am Donnerstag mitteilte, hob die zweite Kammer die Verurteilung des Versammlungsleiters einstimmig auf.

Dieser hatte das provokante Lied auf einer Kundgebung in Berlin-Kreuzberg im September 1997 abgespielt, an der 50 Teilnehmer gegen die Inhaftierung eines Gesinnungsgenossen protestierten. Im Refrain heißt es "Deutschland muss sterben, damit wir leben können".

Die Verfassungsrichter wiesen unter anderem auf das 1844 erschienene Gedicht von Heinrich Heine "Die schlesischen Weber" hin. Das Gedicht sei zwar ungleich bedeutender, formuliere aber "kaum weniger radikale und bittere Kritik" und sehe das Vaterland ebenfalls dem Untergang geweiht. Schließlich habe das Lied der Hamburger Punkgruppe auf die Auseinandersetzungen um das nationalsozialistische Denkmal in Hamburg angeknüpft, das die Inschrift trägt "Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen." Um dieses Denkmal hatte es in den 80er Jahren eine breite öffentliche Debatte gegeben.

Der Fall des Versammlungsleiters wurde an das Amtsgericht Berlin-Tiergarten zurückverwiesen.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 581/00)

(RPO Archiv)
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