London Polizei: Vermisste Maddie lebt vielleicht noch

London · Es ist dieses Maddie-Lächeln. Der direkte, fröhliche Blick der Augen mit dem berühmten dunklen Fleck, die markanten Grübchen auf beiden Wangen, die Winkel der schmalen Lippen leicht nach oben gezogen. Auf dem von Scotland Yard erstellten Computerbild ist das von blonden Haaren gesäumte Gesicht von Madeleine McCann nicht mehr kindlich-rund. Die 2007 in Portugal entführte Britin ist um fünf Jahre gealtert. Der Mann, der endlich das Rätsel um ihr Verschwinden lösen will, ist guter Dinge. Er glaube, dass Maddie am Leben sein könnte, sagte gestern Chefinspektor Andy Redwood in London: "Wir haben neues Material gefunden und würden gerne den Fall wieder eröffnen."

Rückblende: 3. Mai 2007 im idyllischen Ferienort Praia de Luz am Atlantik. Die Urlauber Kate und Gerry McCann aus Leicestershire treffen zum Abendessen ein paar Freunde im Restaurant des "Ocean Club". Die drei Jahre alte Madeleine und die zweijährigen Zwillinge Sean und Amelie bleiben im 100 Meter entfernten Appartement ohne Aufsicht zurück. Alle halbe Stunde horchen die Eltern vor dem Zimmer, ob jemand wach ist. Doch alles bleibt ruhig. Gegen 22 Uhr kehren Gerry und Kate vom Essen zurück. Die Rollläden im Schlafzimmer der Kinder wurden mit Gewalt geöffnet. Die Zwillinge schlafen, doch Madeleines Bett ist leer, nur noch ihr Stoffkätzchen liegt da.

Maddie war vor fünf Jahren das berühmteste Kind der Welt. Ihr Verschwinden sorgte monatelang für Schlagzeilen auf allen Kontinenten. Nur konnte niemand die Frage beantworten: Was war an der Algarve wirklich geschehen? Die McCanns, die seit 2007 mit unverminderter Energie die Suche nach ihrer Tochter vorantreiben, haben immer geglaubt, dass Madeleine entführt wurde – und dass sie noch am Leben sei. Dabei galt das prominenteste Ärztepaar des Königreichs zeitweise selbst als Hauptverdächtige im mysteriösen Fall. Er sei davon überzeugt, dass ein "Fremder" das Kind geschnappt hatte, sagte Andy Redwood gestern. Der Mitarbeiter des Morddezernats klang optimistisch, als er das Bild des künstlich gealterten Mädchens zeigte: "Wir haben erstmals alle Puzzleteilchen an einem Ort zusammengetragen und versuchen jetzt, diese Entführung aufzuklären."

Es ist drei Jahre her, seit die portugiesischen Behörden die Akte Maddie geschlossen haben. Zwar beschäftigen die McCanns weiter private Detektive, doch sie fordern die Wiederaufnahme der offiziellen Ermittlungen am Ort des Verbrechens. Im Mai 2011 veranlasste Premierminister David Cameron eine Überprüfung des Falls durch die Metropolitan Police (Scotland Yard), die 2,4 Millionen Euro gekostet haben soll. Es hat sich offenbar gelohnt: Redwoods Team aus 28 Polizisten und sieben Helfern hat nach eigenen Angaben 100 000 Seiten Material neu analysiert und Ermittlungslücken sowie 195 "Anhaltspunkte" für Nachforschungen gefunden. "Irgendwo in diesen 40 000 Dokumenten liegt möglicherweise die Lösung des Rätsels", sagt der Chefinspektor.

Die Polizei gab gestern keine Details bekannt, doch sie bat erneut um Hinweise aus der Bevölkerung. Mindestens ein Indiz deute darauf hin, dass Madeleine lebe, sagte Redwood in London. Der britische Ermittler hat nach eigenen Worten keine Möglichkeit, den Fall Maddie in Großbritannien erneut aufzurollen. Das könnten nur seine Kollegen in Porto, die dafür eine richterliche Entscheidung bräuchten, erklärt der Chefinspektor. "Unsere Aufgabe ist es, die portugiesische Polizei mit hochqualitativer Information zu versorgen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort