NSU-Prozess in München Opfer-Angehörige bekommen Geld für Prozessverschiebung

München · Nach der Verschiebung des NSU-Prozesses bemüht sich die bayerische Justiz um Schadensbegrenzung für die Angehörigen der NSU-Opfer. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sicherte diesen am Dienstag in München einen finanziellen Ausgleich für die Folgen der Entscheidung zu.

Unterdessen steht laut einer Gerichtssprecherin noch nicht fest, wann die neue Akkreditierung für Journalisten beginnt. Eigentlich sollte ab Mittwoch vor dem Oberlandesgericht (OLG) München der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier mitangeklagte mutmaßliche Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) beginnen. Nachdem am Freitag das Bundesverfassungsgericht das Akkreditierungsverfahren für Journalisten korrigiert hatte, verschob der Vorsitzende Richter den Prozessbeginn auf den 6. Mai.

Justizministerin Merk erklärte, sie bedauere die Verlegung wegen der Konsequenzen für die Opfer sehr, die Gerichtsentscheidung bedeute für viele zusätzliche Belastungen. "Wichtig ist mir nun, dass die Opfer und ihre Angehörigen hinreichend informiert werden und ihnen Hilfe auch für die finanziellen Folgen der Entscheidung angeboten wird. Einen finanziellen Ausgleich wird es in jedem Fall geben", kündigte Merk an. Außerdem stellte das Ministerium den Opfern und Angehörigen am OLG eine Richterin als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Das Ministerium reagierte damit umgehend auf eine Forderung der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Auch die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John (CDU), hatte eine Entschädigung der Angehörigen gefordert. John, die nach der NSU-Mordserie mit zehn Toten - darunter neun Menschen mit türkischen und griechischen Wurzeln - Ansprechpartnerin der Hinterbliebenen ist, bezeichnete die Verschiebung im Deutschlandradio Kultur als "eine seelische und eine organisatorische Zumutung". Sie habe mit den Angehörigen gesprochen, alle seien "sehr enttäuscht" gewesen.

OLG-Sprecherin Margarete Nötzel sagte auf Anfrage, sie könne noch nicht sagen, wann die neue Journalisten-Akkreditierung beginnt und nach welchen Kriterien sie durchgeführt wird. In der nach der Schnelligkeit der Anmeldung durchgeführten ersten Akkreditierungsrunde waren alle türkischen und fast alle internationalen Medien leer ausgegangen.

Gamze Kubasik, die Tochter des in Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubasik, kritisierte in den "Ruhr Nachrichten" vom Dienstag, dass das Gericht die Angehörigen nicht vorab über die Verschiebung informiert hatte. "Die Interessen der Hinterbliebenen werden durch das Gericht leider immer noch nicht ernst genug genommen", sagte Kubasik.

Derweil bekräftigte Anja Sturm, die Verteidigerin der Hauptangeklagten Zschäpe, dass diese in dem Prozess die Aussage verweigern will. "Frau Zschäpe hat sich entsprechend in enger Abstimmung mit uns entschieden, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern", sagte Sturm am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Die Verschiebung des Prozesses begrüßte die Verteidigerin. Die Verteidigung hätte andernfalls einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens in Erwägung gezogen, sagte sie.

Der Hamburger Rechtsanwalt Thomas Bliwier, der beim NSU-Prozess die Familie des Kasseler NSU-Opfers Hilat Yozgat vertritt, forderte in der "Welt" vom Dienstag erneut eine Videoübertragung des Verfahrens. Sein entsprechender Antrag werde durch das neue Akkreditierungsverfahren nicht hinfällig.

(AFP/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort