Lebenslang für Zschäpe Richter führte den NSU-Prozess sachlich - und zuweilen mit Schärfe

München · Im NSU-Prozess ist Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verteilt worden. Jedoch wollen ihre Verteidiger das Urteil vom BGH überprüfen lassen wollen. Richter Götzl wird zu verhindern versuchen, dass ihre Revision Erfolg hat.

Manfred Götzl ist nicht anzumerken, dass er hier das Urteil in einem Jahrhundertprozess verkündet. Sachlich und ruhig präsentiert der Vorsitzende Richter des NSU-Prozesses seine Gründe, weshalb er Beate Zschäpe als zehnfache Mörderin verurteilt hat. Nach dem mündlichen Vortrag beginnt für Götzl die Zeit im stillen Kämmerlein - dort wird er sein Urteil schriftlich begründen und zu verhindern versuchen, dass eine bereits angekündigte Revision Erfolg hat.

2013 war Götzl mit dem Ziel in das NSU-Verfahren gegangen, ein revisionsfestes Urteil zu erreichen. Diese Linie zog der Richter durch, wie sich bald zeigte. Götzl ließ jede der angeklagten Straftaten gründlichst in der Beweisaufnahme prüfen. Den Vorwurf mangelnder Sorgfalt machte bisher niemand dem Richter. Auch seine Urteilsbegründung benennt viele Details aus dem Tatkomplex. Aber es wird vermutlich noch einige Zeit dauern, bis seine Taktik als erfolgreich oder als gescheitert zu bewerten ist. Direkt nach dem Urteil kündigte die Zschäpe-Verteidigung Revision an. Der Bundesgerichtshof wird die Urteilsbegründung also prüfen müssen.

Götzl ist dann vielleicht schon im Ruhestand: Er ist 64 Jahre alt und steht ein Jahr vor seiner Pensionierung. Es heißt, er könne witzig und unterhaltsam sein, wenn er bei geselligen Anlässen auftaucht. Es heißt auch, er möge Jazzmusik. Götzl wirkt asketisch. Er ist schlank und drahtig. Meist schaut er ernst, manchmal mürrisch. Lächeln sah man ihn selten.

Im NSU-Prozess schieden sich die Geister an ihm. Manche Vertreter der Angehörigen etwa lobten ihn ausdrücklich und hoben seine sachkundige, klare Art hervor. Andere stießen sich dagegen immer wieder an dem oft schroff und empathielos wirkenden Auftreten Götzls. Der ursprüngliche Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, Wolfgang Heer, brachte dies mit einer im NSU-Prozess entstandenen Wortschöpfung zum Ausdruck. Jeder Prozessbeteiligte kenne das Wort "abgötzeln", sagte Heer in seinem Plädoyer. "Abgötzeln" beschreibe die Art, wie der Richter immer wieder Verfahrensbeteiligte zurechtweise. In einer ersten Reaktion nannte Heer das Urteil dünn.

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Der Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess

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Foto: dpa/Peter Kneffel

Gleichwohl hat sich Götzl auch Anerkennung erworben. Beeindruckend wirkte immer wieder seine Gedächtnisleistung. Es kam vor, dass er Anwälten auf Zuruf eine Aktenfundstelle vorsagte - bemerkenswert, angesichts des Aktenumfangs von mehr als 100.000 Seiten.

Götzl steht seit Juli 2010 an der Spitze des für Terrorismusverfahren zuständigen sechsten Senats des Oberlandesgerichts München. Der nach seinen juristischen Anfängen in den 80er Jahren als Staatsanwalt bald ins Richteramt gewechselte Götzl ist nicht nur einer der erfahrensten Münchner Richter. Der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern zeigte in der Vergangenheit, dass er sich in seiner Arbeit von äußerem Druck nicht beirren lässt.

Zwei Charakteristika machen Götzl als Richter aus: Er führt Auseinandersetzungen mit Schärfe, gerade mit Verteidiger Heer legte er sich immer wieder an. Wobei Götzl dabei auch immer wieder eine Art Selbstschutz zeigte: Wenn es besonders hitzig wurde, unterbrach er die Sitzung für einige Minuten.

Auf der anderen Seite arbeitet der Jurist im höchsten Maß präzise, weshalb sein Name auch für fast ausschließlich rechtskräftig gewordene Urteile steht.

Nach dem Urteil wird auch der medienscheue Richter wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden. Dass er irgendwann in Talkshows seine Sicht auf den Jahrhundertprozess offenbart, ist nicht zu erwarten.

(wer/AFP/dpa)
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