Zeugenaussage eines BKA-Beamten NSU-Mordwaffe wurde offenbar mit Schalldämpfer bestellt

Wurde die "Ceska"-Pistole des NSU mit Schalldämpfer bestellt? Die Frage ist entscheidend für die Anklage. Das Gericht nähert sich der Antwort auf Umwegen.

Zahlen und Fakten zum NSU-Prozess
Infos

Zahlen und Fakten zum NSU-Prozess

Infos
Foto: dpa, kne lof sja fdt

Die "Ceska"-Pistole, mit der NSU-Terroristen neun Menschen ermordeten, wurde nach Aussage eines Zeugen mit Schalldämpfer bestellt. Das sagte ein BKA-Beamter am Mittwoch im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Die Verteidiger von Beate Zschäpe zweifelten die Aussage an. Der Zeuge selbst hatte bei seiner Vernehmung vor Gericht die Aussage verweigert, weil er sich sonst belasten könnte. Deshalb musste nun der Ermittler über die früheren Vernehmungen berichten.

Für den Anklagevorwurf ist die Beschaffung der "Ceska" eine wichtige Frage: Falls die Waffe vom Angeklagten Carsten S. mit Schalldämpfer bestellt wurde, wäre das ein Indiz dafür, dass er wusste, wofür die Pistole bestimmt war.

Laut Anklage sollen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit der "Ceska"-Pistole insgesamt neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft erschossen haben. Der Angeklagte Carsten S. hat zugegeben, dass er die Waffe im rechten Jenaer Szeneladen "Madley" gekauft hat - nach seiner Aussage im Auftrag des ebenfalls angeklagten Ex-NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben.

Chronologie: Was nach dem NSU-Desaster geschah
Infos

Chronologie: Was nach dem NSU-Desaster geschah

Infos
Foto: dpa, fpt fdt

Der "Madley"-Verkäufer Andreas Sch. hatte in der Vernehmung im Ermittlungsverfahren zugegeben, eine Pistole mit Schalldämpfer verkauft zu haben. Als Käufer identifizierte er Carsten S. In seiner Vernehmung sagte er: "Es war definitiv so, dass die einen Schalldämpfer bestellt haben. Ich liefere doch nicht mehr, als ich liefern muss."

Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl zweifelte die Glaubwürdigkeit der Aussage an. Der Zeuge habe möglicherweise "in einer Vernehmungssituation vor Angst Wunschantworten gegeben", vermutete der Anwalt.

Nachmittags schilderte ein Zeuge, wie er 1998 für die drei Untergetauchten eine Wohnung in Chemnitz angemietet hat. Er sei angesprochen worden, ob er sich für den Mietvertrag zur Verfügung stellen könne, sagte er. An Details wollte er sich zunächst nicht erinnern; er könne nicht mehr sagen, wer ihn angesprochen habe oder wie der Übergabetermin mit der Maklerin ablief.

Nach intensivem Nachfragen sagte er, Beate Zschäpe sei bei der Übergabe dabei gewesen; sie habe sich als Freundin oder Frau ausgegeben. Etwa einmal im Monat habe er die drei in der Wohnung besucht um zu sehen, "ob es irgendwelche Probleme gibt, ob die irgendwas brauchen". Alle Kontakte seien über Zschäpe gelaufen. Dies könnte die These der Anklage stützen, dass die Hauptangeklagte für die legale Fassade der Gruppe sorgte und eine wesentliche Rolle für das Leben im Untergrund spielte.

Bei der Befragung des Zeugen durch Vertreter der Nebenklage kam es zu heftigem Streit mit der Bundesanwaltschaft. Rechtsanwältin Gül Pinar stellte mehrere Fragen, die auf die Gesinnung des Zeugen zielten. Die Bundesanwaltschaft kritisierte die Befragung: "Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht, sondern wir sitzen zu Gericht über die Angeklagte Zschäpe und die vier anderen Angeklagten", sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. Opferanwalt Alexander Hoffmann attackierte die Anklagebehörde: "Der Zeuge lügt uns hier die Hucke voll und bekommt Rückendeckung vom Gericht und der BAW (Bundesanwaltschaft)."

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort