Neue Aussagen im NSU-Prozess Nachbarn nannten Zschäpe "Dienelt-Maus"

München · Ein weiterer Prozesstag im Verfahren gegen Beate Zschäpe und und die NSU-Sympathisanten liegt hinter den Beteiligten. Nachbarn sagten aus und beschrieben die Verhaltensweisen der Angeklagten Zschäpe.

NSU-Prozess: Beate Zschäpe vor Gericht
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Es müssen lustige Abende gewesen sein: Regelmäßig saßen die Nachbarn in der Zwickauer Frühlingsstraße im Keller beisammen, es wurde getrunken und gelacht. Man sprach über Gott und die Welt, die Männer erzählten von den Baustellen, auf denen sie gerade arbeiteten. Manchmal saß Beate Zschäpe dabei. Bier trank sie nicht so gern, stattdessen mal Prosecco, mal Wein. Über Politik wurde nie geredet, über Ausländer auch nicht. Auf dem Fernseher stand ein Bild von Adolf Hitler.

Niemand habe sich daran gestört, Beate Zschäpe auch nicht, sagte ein Nachbar, der zu den Runden in seinen Keller einlud, am Mittwoch als Zeuge im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Ohnehin habe das Hitler-Bild keine politische Bedeutung gehabt, sondern sei ein Andenken an einen verstorbenen Nachbarn, auf dessen Fernseher es auch schon gestanden habe. Auch heute besitze er das Bild noch. Bei sich daheim dürfe er schließlich machen, was er wolle.

Zschäpe sei eine "liebe, gute Nachbarin" gewesen, schildert der Zeuge - ein Handwerker Mitte 40, mit breitem Kreuz und leichtem Bauchansatz. "Freundlich, lustig, man konnte mir ihr lachen, man konnte über sie lachen." Sie hätten öfters mit ihr zusammengesessen. Fast trotzig fügt er hinzu: "Ist auch nichts Verwerfliches dran, nachbarschaftlich eben. Ist im Osten so."

Zschäpe habe sich "Susann Dienelt" genannt - eines ihrer Pseudonyme. Die Runde aus der Nachbarschaft bevorzugte "Dienelt- Maus": "Erstens hieß se Dienelt, und zweitens ist se 'ne Maus." Einmal habe Zschäpe den Nachbarn beim Fußballgucken hinter dem Haus Pizza spendiert. Die Anklage wirft Zschäpe vor, für die legale Fassade des Trios gesorgt und damit die Anschläge der Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) ermöglicht zu haben.

Mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe er hingegen wenig Kontakt gehabt, sagt der Nachbar. "Mal guten Tag und guten Weg, und das war's." Zschäpe habe gesagt, der eine sei ihr Freund, der andere dessen Bruder. Ihr Job sei es, Autos zu überführen. Er habe nicht einmal gewusst, wie die beiden heißen. Und nachgefragt habe er auch nicht, so der Zeuge.

Am Ende allerdings hat die "gute Nachbarin" wohl das Haus angezündet. Am 4. November 2011 erschossen sich Mundlos und Böhnhardt, um der Festnahme nach einem Banküberfall zu entgehen.
Danach, so die Anklage, verteilte Zschäpe Benzin in der Wohnung und zündete es an. Die Explosion war so stark, dass sie Teile der Außenwand heraussprengte.

Anschließend muss sich eine eigenartige Szene zugetragen haben, wie eine Zeugin am Mittwoch berichtet. Die 31-Jährige fuhr mit ihrem Auto durch die Frühlingsstraße und sah den brennenden Dachstuhl. "Ich bin dann stehen geblieben, weil die ganze Straße voll Rauch war." Sie sei ausgestiegen, um zu schauen. In dem Moment sei Zschäpe um die Ecke gekommen, mit zwei Katzenkörben in der Hand. Sie habe Zschäpe angesprochen, berichtet die Zeugin: "Hinter ihnen brennt's und wir müssten die Feuerwehr alarmieren." Zschäpe habe sich umgedreht und sei erschrocken. "Meine Oma ist noch im Haus", habe sie gesagt. "Dann hat sie sich umgedreht und ist zurückgelaufen."

Tatsächlich wohnte in der Nachbarwohnung eine 89-Jährige. Sie konnte von Verwandten aus dem Haus gerettet werden. Die Sache hätte aber auch schief gehen können, meint ein Experte des Landeskriminalamts, der ebenfalls am Mittwoch gehört wird: "Es hätte auch durchaus eine weitere Ausbreitung der Explosion geben können, so dass auch eine Zwischenwand zerstört worden wäre. Das kann im Vorfeld nicht eingeschätzt werden." Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, sie habe den Tod der alten Frau und zweier Handwerker riskiert. Deshalb lautet die Anklage auch auf Mordversuch.

Erstmals seit langem waren am Mittwoch übrigens mutmaßliche Sympathisanten aus der rechten Szene unter den Zuschauern im Gerichtssaal: Auf der Tribüne saßen zwei bullige Glatzköpfe in T-Shirts, einer von ihnen war stark tätowiert bis zum Hals. In einer Verhandlungspause grüßte er den Angeklagten Ralf Wohlleben und seine Anwältin. Woher er Wohlleben kennt, wollte er auf Nachfrage von Journalisten nicht sagen.

(dpa)
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