Nach Urteil gegen Beate Zschäpe Angehörige der NSU-Opfer hoffen nun auf Klage gegen den Staat
Berlin · Für viele Angehörige der NSU-Opfer waren die Urteile im NSU-Prozess enttäuschend. Nun hoffen sie, dass auch der Staat juristisch zur Verantwortung gezogen wird.
„Wir möchten, dass ein Gericht in Deutschland feststellt, dass der Staat versagt hat“, sagte die Anwältin der Familie des ersten NSU-Mordopfers Enver Simsek, Seda Basay, am Donnerstag in Berlin.
Als Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 untertauchten, sei das Trio per Haftbefehl gesucht worden, sagte Basay. Einzelne Verfassungsschutzämter hätten zu diesem Zeitpunkt den Aufenthaltsort der drei gekannt oder ihn feststellen können, weil Telefonate abgehört worden seien.
Allerdings hätten die Ämter ihre Informationen nicht an die Polizei weitergegeben. „Wenn man das gemacht hätte, 98 schon, dann hätte man vielleicht die Morde verhindern können“, sagte Basay.
Auch Rechtsanwalt und Opfervertreter Mehmet Daimagüler äußerte sich diesbezüglich. Die Rolle der Verfassungsschutzbehörden und die Verstrickung von sogenannten V-Leuten sei in dem fünfjährigen Gerichtsverfahren weitgehend ungeklärt geblieben, sagte er.
Auch habe die Beweisaufnahme gezeigt, dass die bis zuletzt vertretene These der Generalbundesanwaltschaft, es handele sich beim NSU um ein isoliertes Trio, falsch gewesen sei. Allein vor Gericht seien 24 Zeugen angehört worden, die neben den Mitangeklagten von Beate Zschäpe die untergetauchten Rechtsterroristen unterstützten, sagte Daimagüler. Der Opferanwalt will jetzt mit einer Staatshaftungsklage das Versagen der Ermittlungsbehörden feststellen lassen.
Aktuell ruht die Klage gegen Thüringen, weil das Land laut Mehmet Daimagüler, der die Klage federführend betreut, Aufarbeitung versprochen hat. Drei Familien von NSU-Opfern haben sich der Staatshaftungsklage angeschlossen.
Das Münchner Oberlandesgericht hatte im Prozess gegen den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) am Mittwoch die 43 Jahre alte Hauptangeklagte Beate Zschäpe wegen Mordes in zehn Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Dazu kamen unter anderem weitere Vorwürfe wie mehrfacher versuchter Mord und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Das Gericht verurteilte zudem die Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Holger G., André E. und Carsten S. zu mehrjährigen Haftstrafen. Die rechtsextrem motivierte Mordserie des NSU war 2011 aufgedeckt worden.